50 Jahre «Greetings From Ashbury Park, N.Y.» - Heartland Rock in den Kinderschuhen
Vor fünf Dekaden startete Bruce Springsteen seine unvergleichliche Karriere mit seinem folkigen Debüt «Greetings From Ashbury Park, N.Y.». Das Album war ein kritischer und kommerzieller Flop.
Es ist schon ein wenig surreal, sich Bruce Springsteen als darbenden Künstler vorzustellen. Die Anzahl an Interpret:innen, die einen dermassen tiefen Fussabdruck in der Popkultur hinterlassen haben und gleichzeitig stets relevant geblieben sind, ist sehr überschaubar. Wann immer irgendwo die besten Gitarren-Alben/Songs/Whatever verkündet werden, findet sich Springsteens Werke selten ausserhalb der Top 10 und kaum ein US-Staatsbürger fühlt nicht den Patriotismus aufbegehren, wenn «Born in the U.S.A.» aus den Boxen dröhnt (auch wenn das natürlich eine kolossale Fehlinterpretation des Songs ist, aber darum geht‘s hier nicht.).
Und dennoch, der Weg dahin war längst nicht der einfache Spaziergang, den Springsteens heutige Übergrösse vermuten liesse. Schlappe 25‘000 mal ging «Greetings From Ashbury Park, N.Y.» 1973 über die Theke. Die Kritiken waren ebenfalls nicht allzu wohlwollend: Springsteen tönt wie ein schlechter Bob Dylan, hiess es da unter anderem. Das Songwriting? Unbedarft, mit fast schon dümmlichen Reimen.
Einige Publikationen attestierten dem damals 22-Jährigen zwar ein gewisses Potential, aber Springsteens Debüt war weit davon entfernt, einen ähnlichen Flächenbrand auszulösen, wie es die Erstlinge von The Beatles oder den Rolling Stones getan haben. Dass auch Dylans erstes Album keinen Schwanz interessierte, blieb häufig unerwähnt.
Starman to the rescue
David Bowie, damals auf dem Peak seiner Ziggy Stardust-Persona, hatte ebenfalls viel Meinung zu Springsteens Anfängen: «Ich hasste sein Solo-Material. Dieses folksy Bob Dylan-Zeugs war furchtbar, aber sobald die Band dazu kam, stand dort ein anderer Performer und er war grossartig.», erzählte er 1987 in einem Interview mit dem Musician Magazine.
Bowie beliess es aber nicht bei den (semi-)netten Worten. 1974 coverte er Springsteens «Growin‘ Up» für sein Konzept-Album «Diamond Dogs». Einen offiziellen Release erhielt das Cover zwar erst 26 Jahre später, aber das Stück fand seinen Weg in Bowies Live-Set und exponierte Springsteen damit einem breiteren Publikum.
Dieses erreichte auch die Progrock Version von «Blinded By The Lights» von Manfred Mann‘s Earth Band zwei Jahre danach. Zu dem Zeitpunkt war aber «Born To Run» bereits erschienen, das dritte Album von Springsteen gilt als eine der wichtigsten Platten des Genres und hievte den Sänger damals in den Rock-Olymp, wo er auch heute noch breitbeinig auf seinem Thron sitzt.
Die Retrospektive
«Greetings From Ashbury Park, N.Y.» losgelöst von seiner Geschichte zu betrachten, ist heute beinahe unmöglich. Sicher ist aber, dass das Debüt von Bruce Springsteen mehr war, als nur die ungelenken Versuche eines Bob Dylan-Wannabe.
Songs wie «Lost in the Flood» oder «It‘s Hard to Be a Saint in the City» lassen wohl kaum einen Musikfan kalt und sind prophetische Vorläufer auf alles, was danach noch kommen sollte. In diesem Sinne: Happy Birthday, «Greetings From Park, N.Y.», du hast dich gut gehalten.
Bruce Springsteen spielt am 13. Juni im Zürcher Letzigrund. Das Konzert ist ausverkauft.