Publié le 16. janvier 2024

Moll ist toll: Die Popmusik wird trauriger

Viele Studien und Auswertungen der letzten Jahre zeigen: Erfolgreiche Popmusik wird immer trauriger. Mehr als die Hälfte der Charts setzt heutzutage auf Moll-Akkorde. Wir haben die Erkenntnisse zusammengetragen.

Journalist
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Schon das Playlist-Angebot von Spotify spricht eine deutliche Sprache: Der Streaming-Anbieter, der wie kein anderer auf sogenannte «Mood»-Playlisten setzt, bietet zum Beispiel das «sad girl starter pack», die «Sad 90s», die «Sad Hour», «Sad Soul», «Sad Piano», den «Sad Crying Mix» oder schlicht «Sad Songs». Angeblich sei «sad» auch der bei Spotify am meisten genutzte Suchbegriff unter Teenager:innen.

Tatsächlich gibt es immer mehr Studien und harte Zahlen, die belegen, dass traurige Musik auf dem Vormarsch ist. Das trug die Neue Zürcher Zeitung erst kürzlich in einem aufschlussreichen Artikel zusammen. Darin lernt man zum Beispiel, dass der Daten-Analyist Chris Dalla Riva alle Nr.1-Hits der US-Charts «Billboard Hot 100» untersucht hat, um rauszufinden, wie viele in der melancholisch wahrgenommenen Moll-Tonart und wie viele in der uplifting wirkenden Dur-Tonart gehalten sind. In den 60ern waren ungefähr 85 Prozent der Songs in Dur, 2021 waren das Verhältnis ungefähr fifty fifty. In den Jahren nach 9/11 reichiten die Mollwerte zeitweise bis zu 70 Prozent. Hier kann man sich die Auswertung in einer Grafik anschauen.

Passt die These zu den aktuellen Charts?

Schaut man heute in die aktuellen Charts der Schweiz, steht Lucianos «Time» an der Spitze. Ein Song, der mit unendlich traurigen, etwas pompösen Streichern startet, bis ein Beat aus dem Kellergeschoss dröhnt und der deutsche Rapper mit dunkler Stimme raunt «Bis zum Sky, unendlich Licht, doch ein weiter Weg, ah / Bruder, sei du selbst, so bist du strong, also bleib nie steh'n». Immerhin rappt er dann: «Sunshine kommt, greif dein Glück immer nach dem Regen.» Fröhlicher klingt der Track an dieser Stelle aber auch nicht. Ähnlich Moll-schwer geht es weiter: Auf Platz 2 steht der spanische TikTok-Durchstarter Iñigo Quintero, der in seiner Debütsingle «Si No Estás» dramatisch, todtraurig und etwas zu Autotune-schwanger von unerfüllter Liebe singt. Eine Zeile sagt ins Deutsche übersetzt ungefähr: «Und ich hasse es, wenn ich mit diesem Gift gefüllt bin.» Auf Platz 3 rangiert Tate McRae mit «Greedy» – auch ein Wort als Titel, das nicht wirklich auf happy Vibes setzt. Tatsächlich klingt «Greedy» zwar ein wenig schmissiger als die anderen beiden Lieder, setzt aber ebenso auf Moll-Akkorde.

Auch die Lyrics werden dunkler

Weitere Studien konzentrieren sich auf die Lyrics und kommen zu dem Schluss, dass Worte und Themen wie Ärger, Angst, Abscheu oder Wut immer häufiger verwendet werden. Lior Shamir von der Technical University in Kansas untersuchte die Lyrics von 6000 Singles der Billboard-Charts in der Zeit zwischen 1951 und 2016. Seine Erkenntnis: Die Erwähnung der genannten Wörter hat sich nahezu verdoppelt. Shamir sagte der BBC in einem Interview: «Man sieht eine sehr konsistente, sehr klare Veränderung: Die Texte werden wütender, ängstlicher, trauriger und weniger fröhlich. Es gibt sehr grosse Unterschiede zwischen den Texten in den späten 50er Jahren und denen von 2015 und 2016.» Gibt viele No.1-Hits aus der Zeit, die diese These belegen – vielleicht am besten die stimmgewaltigste Sad-Songs-Sängerin Adele (Foto), die 2011 mit «Rolling In The Deep» auf der 1 der US-Charts landete.

Melancholie und Traurigkeit werden tanzbarer

Abschliessend sei an dieser Stelle noch die Arbeit der Mathematikerin Natalia Komarova erwähnt. Sie nutzte die Recherche-Datenbank «AcousticBrainz», um 500.000 in der Zeit von 1985 bis 2015 in England veröffentlichte Songs auszuwerten. Sie achtete auf das Tempo der Songs und die Verwendung von Moll- und Dur-Tonarten. Ihre Erkenntnis: Der Ton der Musik wurde dunkler, allerdings bei zunehmender Tanzbarkeit. Da denkt man doch gleich an Robyns Hit «Dancing On My Own», der wie kaum ein anderer Melancholie und Traurigkeit tanzbar machte – und ein guter Schlusspunkt für diesen Text ist.

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15/05/2024 - 15/05/2024
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NORDSTERN ÜBER PRATTELN

Après trois années extrêmement difficiles pour la musique live, les rois non couronnés du néo-prog mélodique repartent enfin en tournée. Lors de leur visite au Z7, ils ne fêtent pas seulement les 45 ans de Pendragon, mais aussi leur dernière production musicale. Avec le mini-album "North Star", les anciens rockers autour du mastermind Nick Barrett font un retour impressionnant et prouvent que, même après quatre décennies et demie, ils sont toujours garants de perles prog de toute beauté.


Pendragon a été fondé en 1978 par le mastermind Nick Barrett dans le comté anglais du Gloucestershire. Le groupe a connu ses premiers succès lorsqu'en 1982, le manager de l'époque a réservé le groupe émergent Marillion pour une tournée commune. Les deux groupes s'entendent à merveille et d'autres tournées suivent, permettant à Pendragon d'élargir progressivement sa base de fans dans le sillage des survoltés Marillion. En 1983, ils ont finalement joué devant plus de 30 000 spectateurs enthousiastes au légendaire festival de Reading et ont enregistré une session pour la très populaire émission de radio de la BBC, le Tommy Vance's Rock Show. D'autres étapes importantes dans l'histoire du groupe ont été la création de leur propre label Toff Records en 1987 et la sortie de l'album "The Masquerade Ouverture" en 1996, dont plus de 60 000 exemplaires ont été vendus. Au fil des années, Pendragon a consolidé sa position de groupe de rock progressif de premier plan en Grande-Bretagne en publiant des albums de grande qualité. Ils ont régulièrement fait le tour du monde, se rendant jusqu'en Amérique du Sud, aux États-Unis, au Canada et au Japon, et ont joué à guichets fermés. Après une pause forcée due à la pandémie, Pendragon est remonté sur scène en 2023 pour quelques spectacles choisis. Et maintenant, ils repartent enfin en tournée. Ils ont emporté avec eux le mini-album "North Star", sur lequel on peut entendre 25 minutes de musique nouvellement composée. Comme d'habitude chez Pendragon, "North Star" repose sur un concept. "L'étoile du nord a sorti l'humanité de situations difficiles depuis des milliers d'années", explique le maître d'œuvre Nick Barrett, "et notre album est un message positif qui, après les trois dernières années, utilise cela comme un moyen d'aller de l'avant pour tous, sans utiliser l'affligeant mot C". L'étoile du nord brillera de tous ses feux au printemps prochain et indiquera aux musiciens le chemin de Pratteln.

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