Veröffentlicht am 18. Juli 2022

Wenn sich alternde Rockstars für «viel, viel, viel wichtiger» halten …

Pink-Floyd-Legende Roger Waters sagte am Wochenende in einem Interview, er sei «viel, viel, viel wichtiger» als The Weeknd oder Drake. Ein Armutszeugnis, wie es sich viele einst prägende Musiker gerne mal ausstellen.

Journalist
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Die übertriebene Nostalgie und die Verklärung alter Held:innen sind nicht nur der Untergang des Musikjournalismus – sie steigen auch vielen Künstler:innen selbst zu Kopf. So passiert es immer wieder, dass Menschen, die Popkultur und Rockmusik vorangebracht haben, irgendwann den Anschluss zu jüngeren Generationen verlieren. Was ja im Grunde völlig klar geht – nur denken sie dann häufig, diese jüngere Musik sei nicht so wichtig wie ihre, nur weil sie diese nicht auf dem Schirm haben.

Roger Waters: «Ich bin viel, viel, viel wichtiger als die alle jemals sein werden...»

Das jüngste Beispiel, das dieser Tage die Runde macht, ist gleichermassen unterhaltsam wie traurig und entlarvend. Roger Waters – bis 1985 Mastermind von Pink Floyd und seit dem solo und manchmal als fragwürdiger «Israelkritiker» unterwegs – spielte kürzlich zwei Konzerte im kanadischen Toronto im Rahmen seiner «This Is Not A Drill Tour». Leider interessierte sich kaum ein Medium für seinen Auftritt und die grossen Zeitungen Kanadas schrieben lieber über den Homecoming-Gig von The Weeknd in Toronto. Als der Journalist des «Globe and Mail», der Waters kurz darauf interviewte, erzählte, er habe nicht über die Shows berichten können, weil er zu The Weeknd musste, sagte Waters: «Ich habe keine Ahnung, wer The Weeknd ist, weil ich nicht viel Musik höre. Man sagte mir, er sei ein sehr grosser Act. Es sei ihm gegönnt. Ich habe persönlich nichts gegen ihn. Aber wäre es nicht möglich gewesen, einen Abend über seine Show und am nächsten über meine zu schreiben?» So weit, so diplomatisch. Aber dann sagte Roger Waters: «Ohne The Weeknd oder Drake oder wem anders nahe treten zu wollen, aber ich bin viel, viel, viel wichtiger als die alle jemals sein werden, ganz egal, wie viele Milliarden Streams sie haben.»

Noel Gallagher: «I’m sorry, but Jay-Z? No chance!»

Roger Waters ist zwar bekannt dafür, gerne mal auszuteilen, aber diese Arroganz ist ein neues Lowlight. Pink Floyd und ihr Standing in der Rockgeschichte in allen Ehren, zeugt es nicht gerade von Sympathie, wenn man die kulturellen Leistungen einer jüngeren Generation aus purer Ignoranz abwertet. Trotzdem passiert genau das vielen Musikern. Man muss also nicht lange suchen, um weitere Beispiele zu finden. Noel Gallagher zum Beispiel lästerte 2008 über das Glastonbury Festival in England. Das Festival, das aus der Hippie- und Rock-Kultur entstanden ist, hat die Zeichen der Zeit erkannt und in dem Jahr den Rapper Jay-Z zum Headliner auf der Pyramid Stage, der legendären Hauptbühne, gemacht. Noel Gallagher fühlte sich berufen, in einem TV-Interview mit «BBC News» seinen Unmut zu äussern: «I’m sorry, but Jay-Z? No chance!» Jay-Z nahm den Ball dankend auf und feuerte ihn mit breitem Grinsen zurück. Bevor er auf die Bühne kam, spielte er ein kurzes Video ab, dass mit Gallaghers Zitat begann. Danach wurden Aufnahmen von zum Beispiel Putin und dem Papst gezeigt, die Dinge sagten, die so klangen, als würden sie auf die Causa Jay-Z Bezug nehmen. Dann brach das Video ab – und Jay-Z kam so auf die Bühne:

Christina Aguilera über Lady Gaga: «Ich habe wirklich keine Ahnung, wer diese Person ist.»

Klarer Punktsieg für den Rapper, meinen wir. Ein letztes Negativbeispiel kommt von Christina Aguilera, die damit leider klarmacht, dass es nur meistens und nicht immer alte Musikmänner sind, die sich über jüngere Musiker:innen auslassen. Aguilera sagte zu Zeiten des ersten Hypes um Lady Gaga: «Ich habe wirklich keine Ahnung, wer diese Person ist, um ehrlich zu sein. Ich weiss nicht mal, ob das ein Mann oder eine Frau ist.» Ebenfalls nicht gut gealtert dieses Zitat. Aber inzwischen offiziell Geschichte, denn die beiden vertrugen sich später durchaus, wie man diesem gemeinsamen Auftritt bei «The Voice» im Jahr 2013 ansehen kann:

Mark E. Smith über Mumford & Sons: «Shut them cunts up!‘»

An dieser Stelle müssen wir allerdings zugeben: Ganz manchmal amüsieren wir uns auch über ein wenig Hate dieser Art – wenn er von Herzen kommt und so richtig giftig serviert wird. Zum Beispiel als der leider verstorbene Chefgrantler der Band The Fall, Mark E. Smith, einmal über Mumford & Sons sagte: «Da war diese andere Band, die sich gerade warmspielte und sie war fürchterlich. Ich rief: ‚Shut them cunts up!‘ Und die haben einfach weitergespielt. Also habe ich eine Flasche in ihre Richtung geworfen. Ich dachte einfach, dass seien ein paar zurückgebliebene irische Folksänger.»

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