Veröffentlicht am 07. September 2022

Nacht&Leben – Warum politisieren, wenn man feiern kann?!

Während der Pandemie war das Nachtleben jeder Menge politischer und behördlicher Willkür ausgesetzt. Auch Kuriositäten wie der Aussage eines Aargauer Arztes, der von sich gegeben hat, Clubs seien so gefährlich, weil da laut gesungen werde.

Alex Flach

Alex Flach ist seit 25 Jahren Teil des Nachtlebens und hat 10 Jahre lang im Tages Anzeiger über selbiges geschrieben. Er ist Chefredaktor des Barkeeper-Magazins DRINKS Schweiz und Kommunikations-Verantwortlicher für diverse Clubs und Kulturbetriebe. Für Starzone nimmt er sich in der Kolumne Nacht&Leben das Geschehen hinter Club- und Bartüren zur Brust. (Foto: Dejana Gfeller)

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Alex Flach ist Zürcher Cluboriginal und Sprecher verschiedener Locations.

Letzteres hat immerhin für etwas Heiterkeit in einer ansonsten spassbefreiten Zeit gesorgt, ist doch lautes Singen zumindest in House- und Techno-Clubs ein Indiz dafür, dass es höchste Zeit ist an die Garderobe zu torkeln, die Jacke zu holen und sich dann auf den Nachhauseweg zu machen. Ansonsten hielt sich das Vergnügen wegen Verkündungen von offizieller Seite in argen Grenzen, auch angesichts der Tatsache, weil das Versprechen schnell und unkompliziert Finanzhilfe sprudeln zu lassen, sich eingelöst als bemitleidenswertes Rinnsal entpuppte, das nur sehr zögerlich gluckerte.

Irgendwann stellte sich ein «jetzt reicht’s»-Gefühl ein, begleitet vom Vorsatz, sich nie mehr so herumschubsen zu lassen. Die Bars und Clubs sollen enger zusammenrücken und ihr Publikum politisch mobilisieren. Man bezahle zwar kumuliert nur einen Bruchteil der Steuern der beiden grössten Schweizer Banken, aber Wochenende für Wochenende vergnügen sich Hunderttausende im Nightlife und deren entfesseltes Wahl- und Stimmrecht sollte doch reichen, um politischen Druck erzeugen zu können. Jedenfalls: Nie wieder wird man sich von Bundesbern und den Kantonsvögten herumschubsen lassen, nie wieder so hilflos fühlen! …so der Tenor vor nicht mal einem Jahr.

Alles andere als politisch: Die Party im Club.
Alles andere als politisch: Die Party im Club.

Was ist aus dieser mit Wut im Bauch vorgetragenen Ansage geblieben? Wenig bis nichts. Das Nachtleben ist wieder unpolitisch wie eh und je. Klar: Einige Clubs und Bars, die meisten von Personen geführt, die dem linken Spektrum zuzuordnen sind, werden immer wieder mal politisch aktiv, sei es nun mit Veranstaltungen oder mit Statements in den (sozialen) Medien. Von einem Schulterschluss im Nachtleben oder gar von einem ‘Wir-Gefühl’ samt nachhaltigen Bestrebungen, die Gäste zu politisieren, kann keine Rede sein. Alles geht wieder seinen gewohnten Gang und dieser ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, frei von Politik. Nur Alex Bücheli von der Bar und Club Kommission BCK tut weiterhin sein Bestes, um dem Nachtleben auf politischem Parkett Präsenz zu verschaffen.

«Denn Wut verflüchtigt sich schnell, wenn das gemütliche Gewohnte wiederkehrt. »

Alex Flach

Mit Konrad Adenauers berühmtem Ausspruch «Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?» hat dieses Verpuffen guter Vorsätze natürlich auch zu tun, denn Wut verflüchtigt sich schnell, wenn das gemütliche Gewohnte wiederkehrt. Ein anderer Grund ist aber auch die Einsicht, dass es wohl ein frommer Wunsch bleibt, dass man all die Leute die am Nachtleben teilnehmen in eine bestimmte politische Richtung lenken und für diese mobilisieren kann. Denn: das Nachtleben ist ein Spiegel der Gesellschaft, hier tummeln sich alle möglichen Ansichten, Standpunkte und Vorlieben. Zudem gehen Menschen in der Regel nicht aus, um sich dann im Club oder in der Bar mit ernsten Fragen auseinanderzusetzen, sondern um ihren Alltag in Zwischenmenschlichem und auch in Alkohol zu ertränken – Ernsthaftigkeit haben sie bereits von Montag bis Freitag schon genug.

Und so kommt es, dass das Nachtleben von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen bereits ein halbes Jahr nach der Pandemie wieder gänzlich unpolitisch ist. Und das wird wohl auch so bleiben. Zumindest bis die nächste Krise auf der Matte steht.

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