Veröffentlicht am 09. Mai 2022

«The Heart Part 5»: So klingt das Comeback von Kendrick Lamar

Am 13. Mai erscheint mit «Mr. Morale & The Big Steppers» das neue Album von Kendrick Lamar. Jetzt gibt es den ersten, wortgewaltigen Vorboten «The Heart Part 5» und ein verstörendes Video, das auf Deepfake-Effekte setzt.

Journalist
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Comptons zurzeit erfolgreichster Rapper Kendrick Lamar teased seine neuen Alben gerne mit musikalischen Vorboten an, die den Titel «The Heart» tragen. Das war zuletzt 2017 so, als er mit «The Heart Part 4» wenige Tage vor Release das Album «DAMN.» schmackhaft machte. Der komplette Track war zwar nicht auf dem finalen Album, aber einige Elemente fanden sich in anderen Stücken – und zwar in «PRIDE. », «FEAR. » und «ELEMENT.».

Man darf also davon ausgehen, dass «The Heart Part 5» nicht 1:1 übernommen wird. Was die Bedeutung und die Wucht des Tracks in keiner Weise mindert. Denn diese von Kendrick Lamar etablierte Tradition war immer schon ein sehr persönliches Ausrufezeichen. Eine Bestandsaufnahme. Eine Ansage. Das ist auch diesmal wieder so: Auf einer funky klingenden, eher lässig groovenden Instrumentierung beginnt Kendrick Lamar mit einer Art Danksagung: «As I get a little older, I realize life is perspective / And my perspective may differ from yours / I wanna say thank you to everyone that's been down with me / All my fans, all my beautiful fans / Anyone who's ever gave me a listen, all my people. »

«I want the hood to want me back»

Was dann beginnt, ist eine Mischung aus Gesellschaftsanalyse und Blick auf seine eigene Vortrags-Position: Kendrick Lamar ist in Compton aufgewachsen, war der Sohn eines Mannes, der für die Compton Crips arbeiten musste, um die Familie durchzubringen – obwohl dieser aus Chicago nach Compton gekommen war, weil er dort den Fängen einer Gang entkommen wollte. Heute ist Kendrick Lamar Sprachrohr einer ganzen Generation, einer der versiertesten, politischsten, poetischsten Rapper der Jetztzeit. US-Präsidenten feiern seine Platten, er hat nicht nur die wichtigsten Musikpreise im Schrank, sondern gewann 2018 den ersten Pulitzer-Preis, der jemals für Musik vergeben wurde. Bei all dem Zuspruch von der Black Community und der intellektuellen, liberalen Elite der USA ist Kendrick Lamar aber inzwischen auch relativ wohlhabend. Und das ändert seine Vortragsposition. Damit scheint er ein wenig zu hadern. Die Kernzeilen des Refrains von «The Heart Part 5» lauten nämlich: «I want the hood to want me back» und «Look what I done for you.» Gleichzeitig verweist er immer wieder auf die tragische Komponente seines Schaffens im Speziellen und von Rap-Musik im Allgemeinen: Dass zum Beispiel reale, tragische Morde, Gang- und Suchtgeschichten durch seine Kunst zu «Kultur» werden. Was sich in der Line manifestiert: «In the land where hurt people hurt more people / Fuck callin' it culture».

«Twenty-three hour lockdown, then somebody called»

Chuck D von Public Enemey sagte schon in einem Interview am Anfang seiner Karriere «Rap music is CNN for black people». Kendrick Lamar hat das verinnerlicht wie kaum jemand zuvor – und auch «The Heart Part 5» nimmt Bezug auf aktuelles Geschehen und erinnert, was man gerade schon wieder zu vergessen scheint: Dass die Pandemie nicht der grosse Gleichmacher war, sondern soziale Gefälle verstärkte. Zum Beispiel in dieser Szene: «Twenty-three hour lockdown, then somebody called / Said your lil' nephew was shot down, the culture's involved / I done seen niggas do seventeen, hit the halfway house / Get out and get his brains blown out, lookin' to buy some weed / Car wash is played out, new GoFundMe accounts'll proceed /A brand-new victim'll shatter those dreams, the culture.»

Das Video zu «The Heart Part 5» von Kendrick Lamar

Deepfake Morphing im Video

Der wortgewaltige, brandaktuelle Track kommt mit einem Video, das ebenso erstaunlich geraten ist: Anfangs glaubt man, Kendrick Lamar habe sich beim Vortrag von «The Heart Part 5» filmen lassen. Die Kamera ruht auf seinem Gesicht, Lamar beginnt zu rappen und steigert sich in die Wucht seiner Worte. Aber dann zwinkert man kurz und hat plötzlich ein anderes Gesicht im Blick: Fast unmerklich morpht Lamars Gesicht nämlich in andere und man sieht jeweils kurz O.J. Simpson, Kanye West, Jussie Smollett, Will Smith, Kobe Bryant oder Nipsey Hussle. Dieses Deepfake-Konzept stammt von Kendrick Lamar und seinem Geschäftspartner und kreativen Sparrings-Partner Dave Free, mit dem er kürzlich die Firma pgLang gründete, die auch das neue Album «Mr. Morale & The Big Steppers» offiziell ankündigte.

Die offizielle Ankündigung des neuen Albums

Man darf gespannt sein, wie politisch dieses neue Album ausfallen wird. Immerhin war Lamars Song «Alright» sozusagen die inoffizielle Hymne der «Black Lives Matter»-Bewegung. Der «Mr. Morale» könnte in diese Richtung weisen und ein Wortspiel sein, das man als «Moralapostel» verstehen könnte. Andererseits heisst «morale» auch so etwas wie «Kampfmoral». «The Big Steppers» wiederum könnten ein Nicken zum Compton-Kollege Roddy Ricch und dessen Track «Big Stepper» sein. Spätestens am Freitag, dem 13. Mai, wissen wir mehr.

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