Veröffentlicht am 01. März 2023

«The Dark Side Of The Moon» von Pink Floyd wird 50

Das Meisterwerk von Pink Floyd wurde am 1. März 1973 veröffentlicht. Bis heute bewegt «The Dark Side Of The Moon» die Gemüter – was auch an den heute zerstrittenen Urhebern des Albums liegt. Eine Bestandsaufnahme.

Journalist
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Die Sache mit den Alben-Jubiläen ist ja ein zweischneidiges Schwert. Labels kratzen noch die letzten Demoaufnahmen und Live-Mitschnitte zusammen, um daraus üppige, meist überteuerte Boxen zu basteln. Altbekannte Mitwirkende erzählen alle fünf bis zehn Jahre die gleichen Anekdoten. Und jener Teil des Musikjournalismus, der beschlossen hat, mit seiner Leserschaft Hand in Hand ins Grab zu reiten, erzählt genau diese Anekdoten noch einmal nach und garniert sie mit den persönlichen Erinnerungen eines 55jährigen Musikjournalisten. Gähn. Andererseits haben diese zeitlos guten Alben natürlich den wiederkehrenden Trubel verdient. Und irgendwie macht es halt auch Spass, sich ihnen alle Jahre wieder zu nähern. So auch im Falle von «The Dark Side Of The Moon» von Pink Floyd, das am 1. März sein 50. Jubiläum feiert. Schon wenn man es wieder einmal durchhört, klappt einem der Unterkiefer runter und man stellt sich spannende Fragen. Zum Beispiel: Hat schon mal jemand versucht, «On The Run» um 4.30 Uhr im berühmten Berliner Techno-Club Berghain aufzulegen? Das würde echt funktionieren. Oder: Wie hätte das Intro von «Reservoir Dogs» gewirkt, wenn nicht «Little Green Bag» von der George Baker Selection sondern «Money» von Pink Floyd gelaufen wäre – wie sich das Quentin Tarantino anfangs eigentlich gewünscht hatte? Wobei man in diesem Fall schnell gemerkt hätte, dass das Internet da schon eine Antwort drauf gebastelt hat:

Der Kampf um die Deutungshoheit

Das 50-jährige Jubiläum von «The Dark Side Of The Moon» sorgt diesmal allerdings für ziemlich aktuelle Schlagzeilen. Was vor allem daran liegt, dass sie die Urheber weiterhin massiv zerstritten sind. Die Kernbesetzung bestand damals aus David Gilmour, Nick Mason, Roger Waters und Richard Wright. Roger Waters‘ Einfluss war massiv gewachsen, nachdem Syd Barrett die Band 1972 verlassen hatte. Waters war seitdem vor allem für die Lyrics zuständig. Drummer Nick Mason schrieb in seinem Buch «Inside Out» im Jahr 2004, dass er sich den Erfolg vor allem durch die Kraft des Songwritings erklärt. Über Waters Lyrics sagte Mason: «»Die Texte hatten Tiefgang und waren zugleich so klar und einfach, dass sie auch von Nicht-Muttersprachlern verstanden werden konnten, was sicher ein Faktor für den beabsichtigten Erfolg war.» Aber Mason stellt auch heraus, dass die Musik seiner Meinung nach vor allem durch David Gilmours Gitarre und Rick Wrights Keyboard-Sounds geprägt wurde. «Sie haben für mich den essenziellen Pink-Floyd-Sound geschaffen. Wir fühlten uns wohl mit der Musik, die Zeit hatte, durch unsere Live-Auftritte zu reifen.» Laut Mason kam noch dazu, dass ihr ikonisches, von den Hipgnosis-Designern Storm Thurgonson und Aubery ‘Po’ Powel entworfenes Cover grosse Kunst gewesen sei. Und die damals hochmodere Produktion genau mit dem Aufstieg der HiFi-Technik zusammenfiel. Mason dürfte mit seiner Einschätzung Recht haben – was Roger Waters sicher anders sieht.

«Die Queen Mum neu erschaffen.»

Dass man mehr als sonst über das Jubiläum diskutiert, liegt vor allem an Roger Waters, der ja seit einigen Jahren mit seinen Äusserungen für Diskussionen sorgt. Und sich in der Rolle des «Das wird man ja wohl noch sagen dürfen»-Onkels immer besser zu gefallen scheint. Waters erzählte dem amerikanischen «Rolling Stone» kürzlich, er habe «The Dark Side Of The Moon» neu eingespielt und wolle das auch veröffentlichen. Statt den alten Kollegen sind nun die Musiker aus seiner langjährigen Band an Bord, mit denen er auch die «Lockdown Session» aufgenommen hatte. «Es ist ein bisschen, als würde man Queen Mum neu erschaffen wollen», erklärt Waters dem «Rolling Stone». «Man kann dafür am nächsten Baum aufgehängt werden. Aber das ist mir egal. Ich habe es gemacht.» Die harmonischen Strukturen der Songs blieben erhalten, versprach er, doch das Sounddesign sei teilweise völlig anders. So habe Waters fast vollständig auf Rockgitarren verzichtet und manche Texte ergänzt. «In dieser Musik drückt sich mein Mantra aus», sagt Waters, «das, was ich schon mein ganzes Leben lang zu sagen versuche.»

Politische Verwerfungen mit den Ex-Kollegen

Genau das dürfte viele Menschen stören. Denn Waters politische Äusserungen in letzter Zeit sind mehr als kontrovers. Vor allem die antisemitischen Untertöne (was viele schon für einen Euphemismus halten) seiner Israel-Kritik oder sein Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, verstört viele alte Fans. Da wundert es auch nicht, dass Waters nur Verachtung für seine Ex-Kollegen übrig hat, als diese jüngst ein Stück mit dem ukrainischen Rockmusiker Andrij Chlywnjuk aufgenommen hatten. Das sei für ihn «inhaltsleeres Wedeln mit der blau-gelben Flagge. Das ist übrigens der Grund, warum ich Pink Floyd verlassen habe: Ich hatte politische Grundsätze, eine Vision. Die anderen hatten entweder keine oder andere.»

Die sichtbaren und hörbaren Spuren des Albums sind vielleicht spannender als blosse Nostalgie

Bevor man sich also ins Klein-Klein des Bandstreits eingräbt und sich die Laune verdirbt, oder nur in Nostalgie badet, kann man dieses Jubiläum vielleicht am schönsten zelebrieren, in dem an den Spuren nachforscht, die «The Dark Side Of The Moon» in der modernen Popkultur hinterlassen hat. Zwei Beispiele möchten wir euch hier mal an die Hand geben. Zum einen gäbe es da die Arbeit der herrlich irren Indie-Band Flaming Lips, die sich 2009 an dem Meisterwerk abarbeiteten. Was zu dieser spannenden Live-Session im Player oben führte und zu dem hirnsprengenden Album «The Flaming Lips and Stardeath and White Dwarfs With Henry Rollins and Peaches Doing the Dark Side of the Moon», das mindestens so gut ist wie sein Titel lang. Und dann gibt es noch die grafischen Neuinterpretationen. Hier punktete im vergangenen Jahr ein preiswürdiges Magazincover des deutschen Fussballmagazins «11 Freunde», die ihrem WM-Sonderheft dieses Bild verpassten:

Wer die Musik von «The Dark Side Of The Moon» live hören will, hat gleich zweimal die Chance das zu tun. Im März wird die bekannteste Coverband The Australian Pink Floyd Show mit ihrer «#Darkside50Tour» in Europa sein (Infos und Tickets hier) und am 25. April wird Roger Waters im Hallenstadion in Zürich Station machen (Infos und Tickets hier).

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