Veröffentlicht am 17. Januar 2023

«Sped Up»-Songs: Dieser Trend erobert Tiktok

Was passiert, wenn private Sound-Creators Songs beschleunigen? Dann gibt es einen neuen Trend. Und zwar einen, der gerade TikTok flutet. Ob Oldies oder brandneue Charthits – #spedup ist das Ding der Stunde. Ein Überblick.

Journalist

Wer in letzter Zeit auf TikTok unterwegs war, wird auf altbekannte Hits gestossen sein, die aber leicht von ihren Originalversionen abweichen. Plötzlich klingt Lady Gaga als hätte sie gerade Helium inhaliert und man fragt sich, was denn hier eigentlich abgeht.

Tempo, Tempo, Tempo

Unter dem Hashtag #spedup finden sich unzählige solcher Videos. Ein Trend, der seit einiger Zeit zu beobachten ist und immer mehr an Aufmerksamkeit gewinnt. Bekannte Songs werden von anonymen Nutzer:innen beschleunigt, gepitcht und millionenfach auf TikTok als Sound genutzt.

Speedwatching, speedreading und -listening sind globale Trends, die wir zum Beispiel tagtäglich beim schnellen Abspielen von Sprachnachrichten anwenden. Und bekanntlich steht die Videoplattform TikTok ja sinnbildlich für Schnelligkeit. Ständig flammen neue Trends und Challenges auf, die ein Millionenpublikum binden.

Dass Musik mit nahezu doppelter Geschwindigkeit und Quietschstimmen massenhaft Klicks generiert, klingt absurd, lässt sich aber durchaus begründen. Wissenschaftlich ist erwiesen: Gerade schnelle Musik löst bei uns jede Menge Aktivität im Gehirn aus und der Mensch neigt dazu, Musik mit hohem Tempo und regelmässigen Mustern besonders zu mögen. Wenn wir Musik hören, die uns gefällt, schütten wir das Glückshormon Dopamin aus.

Trend oder Werbemittel?

Längst haben auch Labels und Künstler:innen aus aller Welt den «Sped Up»-Trend als potentielles Promo-Werkzeug im Visier. Anstatt in teure Videoclips oder Remix-Versionen zu investieren, können es sich Künstler:innen heute gemütlich machen und ihren Song mit einfachsten Mitteln pitchen und beschleunigen lassen. Das funktioniert sowohl mit neu lancierten Songs als auch mit vergessenen Klassikern. Der Gedanke dahinter: Die «Sped Up»-Version wird als Promo fürs Original genutzt. TikTok’s Music Content Manager Clive Rozario sagt gegenüber Whynow: «Der Originaltitel erhält nicht nur mehr Aufmerksamkeit, in einigen Fällen haben die Remixe sogar mehr Erfolg als das Original. Die Labels machen sich das zunutze, reagieren auf die Nachfrage der Fans und fördern aktiv neuere Versionen, die gut ankommen.»

So konnte etwa Demi Lovato mit ihrem Hit «Cool for the Summer» sieben Jahre nach dem Release unverhofft Profit schlagen. 2022 veröffentlicht sie die «Sped Up»-Version auf Spotify, die mittlerweile schon über 45 Millionen Klicks verbucht.

Mit Tempo bis nach Deutschland

Auch in unserem Nachbarland wird die Musikszene immer schneller. Deutschland hat die «Sped Up»-TikTok-Welle schon länger erfasst. Die Plattform füllt sich mit Deutschen Hits, von alt bekannten bis zu neusten Songs. Einige Künstler:innen nutzen die Trendwelle und releasen ihren Track von Beginn an zusätzlich in der «Sped Up»-Version. Aktuelles Beispiel: Die aktuelle Nummer Zwei in den britischen Single-Charts, «Escapism» von Raye.

Ob wir in der Schweiz bald auch Mani Matter als «Sped Up»-Version zu hören bekommen, steht in den Sternen. Bis jetzt sind weder die Schweizer Labels noch Künstler:innen auf den Trend aufgesprungen. Auch die Schweizer Tiktok-Community befasst sich lieber mit den Hits aus Deutschland. Trotzdem: Es finden sich ein paar wenige beschleunigte Versionen von Schweizer Songs auf Youtube. Ob «079» von Lo & Leduc das Zeug zum viralen Hit als «Sped Up»-Version hat, ist schwierig zu prophezeien.

Mainstream über Talent?

«Musikalisch gesehen lässt ein beschleunigter Song wenig Raum für eine musikalische Reise im Kopf», erklärt Timothy Peters, ein Musikpädagoge und Produzent gegenüber der Musikplattform Whynow. Das Hochpitchen eines Tracks nimmt der Stimme die Identität und die stimmlichen Merkmale gehen verloren. Durch das Beschleunigen des Songs werden ausserdem die unterschiedlichen Pausen entfernt. Diese würde man normalerweise nutzten, um den Vibe und die Bedeutung des Songs zu analysieren. Beim «Sped-Up»-Trend wird mehr Wert auf eine übergreifende Stimmung als auf die Einzigartigkeit eines Songs gelegt. Einige Künstler:innen machen sich den Trend zunutze, andere leiden an der «Demolierung» ihres Werkes.

Fazit: TikTok ist eine Plattform, die von ihrem Tempo und der Musik lebt. Trends kommen und gehen in rasantem Tempo, sonst wird es schnell langweilig. Ob «Sped-Up»-Songs in Zukunft das Rezept für virale Hits sind oder doch nur ein schnelllebiger Trend, dies wird sich zeigen.

Gefällt dir der Artikel?