Veröffentlicht am 11. Februar 2023

Mehr Vielfalt braucht das Land

Es ist nun zehn Jahre her, als mit dem Abart einer der wichtigsten Schweizer Rock-Clubs geschlossen wurde. Ein Nachfolger wurde bislang nicht gefunden. Ob’s daran liegt, dass sich zu wenige Leute einen Nachfolger wünschen?

Nach der wilden Zeit des technoiden Aufbruchs in den 90er Jahren ist das Nachtleben in den grossen Schweizer Städten in streng voneinander abgegrenzte Bereiche zerfallen. War es zuvor noch gang und gäbe, dass während einer Partynacht zwischen Hip Hop-, Pop- und House-Songs auch mal ein Rock-Kracher eingeschoben wurde, wurden sie danach puristisch einem bestimmten Genre zugeordnet: An einer Techno-Party läuft kein Hip Hop, an einer Hip Hop-Party läuft kein Rock und an einer Rock-Party kein Techno.

Aber nicht nur die Veranstalter haben sich um die Jahrtausendwende spezialisiert, sondern auch die allermeisten Clubs. Obschon sich bis heute einige Unentwegte der stilistischen Festnagelei auf ein bestimmtes Genre verweigern, wie beispielsweise die Zürcher Clubs Gonzo und Exil oder die Basler Heimat und der Gaskessel in Bern. Die paar Verfechter der musikalischen Vielfalt machen die Übermacht der auf bestimmte Genres fixierten Clubs jedoch bei Weitem nicht wett: In Bern, Basel, Zürich und auch in Luzern hat die Electronica die Oberhand gewonnen und wer sich im Ausgang Hip Hop und R’n’B gönnen möchte, wird oft mit einem despektierlichen Grinsen an einen ‘Tischchen-Club’ verwiesen.

Seit zehn Jahren dicht: Das Abart.
Seit zehn Jahren dicht: Das Abart.

Noch schlimmer ist es währenddessen dem Rock ergangen: Die grossstädtische Bastion des Rock-DJings, das Abart, ist seit einem ganzen Jahrzehnt geschlossen und weit bescheidenere Versuche dieser Ausgeh-Variante neues Leben einzuhauchen wie das Kinski und das Minirock sind schon bald nach Eröffnung wieder verschwunden. Wer sich heute Rock ab Platte gönnen möchte, der fährt aufs Land hinaus oder besucht eine Bar oder einen Pub mit entsprechendem Programm, nur muss man dann meistens auf eine Tanzfläche verzichten. (Mit einigen urbanen Ausnahmen, etwa dem Exil oder dem ISC.)

Wo kein Bedarf, da kein Rock?

Das ist einerseits sehr schade, aber handkehrum auch dem ökonomischen Prinzip von Angebot und Nachfrage geschuldet, denn auch das Nachtleben steht nicht ausserhalb der Marktwirtschaft: Wo eine Nachfrage ist, wird ein Angebot geschaffen. Es stellt sich also die Frage nach dem Huhn und dem Ei: Gibt es (fast) keine Rock-Clubs mewürdehr, weil kein Bedarf mehr existiert oder kann man im Ausgang nicht mehr zu Rockmusik tanzen, weil es fast keine entsprechend programmierten Partys mehr gibt.

So oder so: Es würde dem Ansehen des Nightlife in den grossen Schweizer Städten bestimmt nicht schaden, wenn es musikalisch wieder etwas facettenreicher werden würde.

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