Greenfield 2023 – Die volle Dröhnung

Timing war noch nie die Stärke der Distillers. Als die Band, rund um Front-Maschine Brody Dalle, anno 2000 ihr erstes Album herausbringen, hat Punk die Garage längst verlassen und macht sich stattdessen in den Charts der Format-Radios breit. Blink-182 und Bad Religion klingen zahmer als je zuvor und ebnen den Weg für die spätere Pop Punk-Welle. Das Interesse für das grungy, selbstbetitelte Debüt der Distillers fällt da eher bescheiden aus. Aber hey, sie machen das schliesslich nicht für den Erfolg und den Respekt der Szene haben sie allemal.

Etwas mehr Aufmerksamkeit erhält das zweite Album, «Sing Sing Death House». Dieses macht eben so wenig Kompromisse, ist unbequem, rotzt und spuckt und fängt dabei die frühen 70er ein, wie es zuletzt wohl nur Rancid und NOFX gelungen ist.

Getreu nach Dalles eigenen Motto «Wenn es zu lange dauert, ist es nicht Punk.» erscheint «Coral Fang» bereits ein gutes Jahr später und endlich wird auch die Allgemeinheit hellhörig. Vielleicht weil alle guten Dinge drei sind, vielleicht weil die Songs der Distillers ihren Weg in Blockbuster-Videogames wie Tony Hawk's Pro Skater gefunden haben, vielleicht aber auch nur weil die Kalifornier zwischenzeitlich den Spagat zwischen Kredibilität und Trendströmung beherrschen – Egal was es ist, es geht aufwärts. Wenn auch nur kurz.

Auf- und Zusammenbruch

The Distillers waren von Beginn weg ein Team-Effort und doch fällt es schwer die Band die Band nicht auf Brody Dalle zu reduzieren: Ihre Omnipräsenz geht weit über die Bühne hinaus, Interviews gibt sie wortgewandt und witzig und das sehr publik ausgetragene Ehedrama mit Rancid-Sänger Tim Armstrong tut sein Übriges. Deren Beziehung begann als Dalle gerade mal 16 war, was den damals 30-jährigen Armstrong zu einem waschechten Creep macht. Dies aber nur am Rande.

Und dennoch, The Distillers sind die Summe ihrer einzelnen Teile und obwohl Dalle den Abgang von Gründungsmitglied Kim Chi zuerst einigermassen auffangen kann, so ist der kreative Aderlass, während dem zweiten und dritten Album, doch zu gross, als dass The Distillers weitermachen können. 2006 verkündet Brody Dalle das Ende der Band, die unterdessen auf ein Duo geschrumpft ist.

Fast Forward

Januar 2018, Dalle kann auf ein paar geschäftige Jahre zurückblicken. Seit der Auflösung der Distillers hat sie zwei Alben und drei Kinder produziert. Letztere mit Queens of the Stone Age-Bandleader Josh Homme. Via Instagram gibt sie die Rückkehr der Distillers bekannt. Von den Ur-Mitgliedern ist, bis auf Dalle, niemand am Start. Dafür kehren Ryan Sinn und Andy Granelli zurück, die massgeblich an der musikalischen Ausrichtung von «Sing Sing Death House» und «Coral Fang» beteiligt waren. Es folgen zwei neue Songs, die ersten Live-Shows seit 13 Jahren und die Ankündigung des vierten Albums. Alles auf Kurs also, zumindest bis eine weltweite Pandemie die Reunion durchkreuzt. Konzerte werden erst verschoben, dann abgesagt und anstatt einer neuen Platte gibt es das fast schon obligate «Live in Lockdown»-Album. Wie es weitergeht, weiss erstmal niemand. Wie schon erwähnt: The Distillers haben es nicht so mit dem Timing.

Alles wird gut

Während weltweit langsam die Normalität zurückkehrt, bestätigen The Distillers, anfangs 2022, dass die abgesagten Live-Daten im kommenden Jahr nachgeholt werden. Zum Album gibt es vorerst noch keine News, zu erwarten ist aber, dass es zeitnahe zur Tour erscheint. Ach, und Brody Dalle ist unterdessen endgültig im Mainstream angekommen: Über ihre Trennung mit Josh Homme hat sogar die Gala geschrieben. Wenn das mal kein Ritterschlag ist. Vielleicht klappt's ja irgendwann noch mit dem Timing.