Veröffentlicht am 10. Januar 2023

Alligatoah: Eine Karriere in wilden Videos

Am 4. März spielt der Rapper, Sänger und Metal-Fan Alligatoah im The Hall in Zürich. Wir blicken in fünf Videos auf seine Karriere, die weit unter der Gürtellinie begann und auch heute noch gerne vor den Kopf stößt.

Journalist
Alligatoah im Video zu "Goldfieber"

Wer Alligatoahs Cover-Album «Fremde Zungen» hört, bekommt einen ziemlich guten Eindruck von den Zutaten seiner eigenen Musik. Zu den gecoverten Interpreten gehören Slipknot, Rolf Zuckowski, Rammstein, Die 3. Generation, Heinz Erhardt, Sia, Hannes Wader und Matt Monro. Das mit einer Handvoll Battle-Rapper gemischt und geschüttelt (nicht gerührt) ergibt ungefähr das Klangbild seines letzen Albums «Rotz & Wasser», das im Frühjahr 2022 erschienen ist. Alligatoah, der im bürgerlichen Leben Lukas Strobel heißt, zeigt darauf eindrucksvoll, dass er zu gleichen Teilen überzeugend singen, rappen, dichten und Songs schreiben kann. Wer dann seine Festival-Shows im Sommer sah – zum Beispiel beim Rock am Ring – merkte außerdem, dass Alligatoah bei all seinem musikalischen Schaffen auch immer ein begnadeter Schauspieler ist, der nicht nur in seinen Songs gerne in verschiedene Rollen schlüpft. Er selbst sagte kürzlich in einem Interview mit dem deutschen TV und Radio-Sender «NDR»: «Im Allgemeinen kann man sagen, dass ich ein Märchenerzähler bin. Ich erzähle meine Geschichten mit den musikalischen Mitteln, mit denen ich aufgewachsen bin. Das ist allen voran deutschsprachige Rap-Musik, aber auch andere Einflüsse, wie zum Beispiel deutsche Liedermacher oder Metal-Musik. Was auf den ersten Blick nicht zusammen passt, das kommt bei mir zusammen.»

Zur Einstimmung auf seine Zürich-Show im März machen wir eine kleine Zeitreise durch seine Musikvideo-Historie – und lassen auch den perversen Shit nicht aus, den er als Teil der Band Trailerpark veranstaltet hat.

Alligatoah – «Goldfieber (Das Rapmusical)» (2007)

Auf «ATTNTAAT», Alligatoahs erstem Album im Jahr aus dem Jahr 2006, befasste er sich mit religiösem Fanatismus und prägte das Bild eines rappenden Taliban-Terroristen. Im Jahr drauf folgte das Mixtape «Schlaftabletten, Rotwein Teil 1» und «das erste Rapmusical». Auch hier im Song «Goldfieber» inszeniert sich Alligatoah gleich doppelt als fanatischer, religiöser Terrorist – und treibt ein Verwirrspiel mit der «Bandbesetzung» von Alligatoah: Rapper Kaliba 69 und DJ Deagle sind nämliche beide Alter Egos von ihm.

Alligatoah – «Willst du» (2013)

Sein wohl erfolgreichster Solosong erschien 2013 auf dem Album «Triebwerke» und heißt «Willst du». Darin rappt und singt Alligatoah wieder einmal auf seine Weise über die Liebe – und über einen gemeinsamen Absturz, den man wirklich so nennen darf. Vor allem die Line «Willst du mit mir Drogen nehmen, dann wird es rote Rosen regnen», funktioniert live einfach perfekt. Schon hier wird deutlich, wie wichtig das filmische Element in seinem Songwriting und generell in seiner Kunst ist. Das Video ist ein flimmerndes Klischee aller Roadtrip-Filme und -Videos der Welt, bei der die sonnenbebrillte Schönheit von einem Drogenrausch zum nächsten reist. Manche Zeile liest sich dabei bewusst wie eine Regie-Anweisung: «Jetzt sind wir frei, chillen auf gigantischen Berggipfeln / Du musst dann sagen, keiner kann unseren Schmerz diggen / Wir sammeln erstmal fröhliche Kiff-Sonntage / Für die hituntermalte Schnittmontage.» Am Ende des Videos heißt es folglich: «Schnitt». Alligatoah ist zum ersten Mal im Bild und blickt auf die an einer Überdosis gestorbenen junge Frau, die an einem malerischen Strand tot im Wasser treibt.

Trailerpark – «Sexualethish desorientiert» (2014)

Der unfeine Hit des Trailerpark-Albums «Crackstreet Boys 3», dem man durchaus anhört, dass K.I.Z schon damals in gut informierten Kreisen Eindruck hinterließen. Auch wenn die satirische Überhöhung offensichtlich ist, muss man heute sagen, dass vieles, was diese Band über die Jahre gemacht hat, mehr als grenzwertig war. Als sie 2012 den Vorgänger «Crackstreet Boys 2» mit einer Party samt Konzert im Berlin feierten, schockten sie sogar die Schock-Postille «Vice». Die schrieben später: «Ein kleiner Club in Kreuzberg, Fassungsvermögen etwa 500 Besucher. Was sich an diesem Abend auf der Bühne abspielte, sorgte unter anderem für die Auflage, Fans in Zukunft nicht mehr in die Show einbinden zu dürfen. Damals wurden Zuschauer auf die Bühne geholt und zu sexuellen Handlungen mit den Prostituierten animiert, diese wiederum schoben sich beispielsweise Baseballschläger in unterschiedlichste Körperöffnungen. Der Geruch, der in dieser eher beengten Location in der Luft lag, hat sich in das Gehirn eingebrannt. Eine Mischung aus pubertärem Schweiß, allerlei Körpersäften und einem olfaktorisch wahrnehmbaren Voyeurismus.» Was auch die Zutaten dieses Videos ergibt.

Alligatoah live beim Rock am Ring 2022

Wer noch gar nicht weiß, was einem auf einer großen Bühne mit Alligatoah drauf erwartet, kann noch immer seinen wohl größte Festivalshow im letzten Sommer sehen. Der Stream seiner Show beim Rock am Ring ist noch immer auf Alligatoahs Youtube-Channel zu finden und zeigt eine Mischung aus Revue, Spielshow und Konzert. Das Bühnenbild dabei: ein trashige, mickrige, kleine, traurige «Mega Stage», wie man sie sonst in finsteren Bierzelten findet.

Alligatoah – «Verloren» (2022)

Im letzen Jahr sorgte Alligatoah für einen kleinen Online-Hype, als er sich todernst als Hochzeitsmusiker anbot – und das tatsächlich durchzog. Aus seinen Erfahrungen machte er ein Video zum Hochzeitsabgesang «Verloren», in dem es so wundervoll wahr heißt: «Schon wieder haben wir jemand verloren / Denn die Liebe ist der Tod für jede Gang / Macht’s gut ihr zwei / das Glück sei euch gewogen / Wir sehen uns, wenn die Flamme nicht mehr brennt.» Autsch. Aber ach Gott, es stimmt ja einfach! In einem Interview mit dem «Diffus Magazin» sagte er: «Wir wollten natürlich den Kitsch. Wir wollten die Ikea-Liebesschilder, die Latte Macchiato-Art, die bunten Luftballons, das Lametta, das Glitzer.» Die Reaktionen auf sein Erscheinen war dabei mal so, mal so. Die jungen Paare, die ihn angefragt hatten, liebten es natürlich. Aber, «dann gab es da die andere Fraktion, das war dann eher so die bucklige Verwandtschaft, die dann teilweise mit verschränkten Armen und etwas verdutzt in der Ecke saßen und das nicht so ganz einordnen konnten, warum der Typ jetzt so obszöne Worte in den Mund nimmt auf einer Hochzeit.»

Alligatoah wird am 4. März in Zürich live in The Hall zu sehen sein. Alle Infos und Tickets gibt's hier.

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