Veröffentlicht am 19. Oktober 2022

Das Leben nach der Boyband: Der Kampf des Louis Tomlinson

Was Robbie Williams bei Take That war, ist Justin Timberlake für *NSYNC. Boybands sind ein gut federndes Sprungbrett für die Solokarrierre, geölt durch den Speichel sabbernder Fans. Das gilt für den Auserwählten. Den Einen. Jetzt kommt Louis Tomlinson mit einem zweiten Album und einer Tour. Und muss sich neben One-Direction-Über-Kollege Harry Styles behaupten. Muss er wirklich?

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Es waren einmal... fünf englische Jungs. Die witzelten und sangen sich bei der TV-Talentshow The X Factor als Einzelkandidaten ins Herz der Pussycat Doll Nicole Scherzinger. Die Jurorin machte aus ihnen eine Boyband. Die heitere Runde aus Liam Payne, Niall Horan, Louis Tomlinson, Harry Styles und Zayn Malik belegte einen traurigen dritten Platz, unterschrieb aber dennoch einen Plattenvertrag über zwei Millionen Pfund. Und es kam, wie es kommen musste: Ein paar (vergleichsweise wenig) Choreografien wurden getanzt, Mädchen kreischten, irgendwann stieg einer aus (Zayn wars) und die Horden an schmachtenden Untergebenen kürten nach dem Aus im Jahre 2016 ihren Prinzen: den mit dem vollsten Haar, den niedlichsten Grübchen und verschlafensten Augen. Der Rest der Welt erlag seinem Geschlechtergrenzen verwischenden Sinn für Mode, dieser erstaunlich rauen Stimme. Und den Haaren eben.

Nun ist Harry Styles das, was Robbie Williams bei Take That war. Justin Timberlake bei *NSYNC. Ronan Keating bei Boyzone. Und im Grunde auch Paul McCartney bei den Beatles. Es sind die, die immer rausstechen. Mit ihrem Charisma, ihrem Look. Es sind die mit den meisten Gesangparts, die, auf denen die Kamera klebt. Die mit dem vermeintlich grössten Talent. Und die anderen? Die müssen sich irgendwie hinten anstellen.

Umdenken, was Erfolg bedeutet

Louis Tomlinson hat sich Zeit gelassen. Er ist Vater eines inzwischen sechsjährigen Sohnes, hat seine Leukämie-kranke Mutter und zudem eine 18-jährige Schwester verloren. Nach seinem ersten, schmerzgetränkten Soloalbum «Walls» aus dem Jahre 2020 kommt jetzt am 11. November ein neues, das «Faith in the Future» heissen wird. Unerschütterlichen Glauben an die Zukunft braucht man heutzutage. Auch, wenn man bedenkt, dass Kollege Styles gerade die grössten Arenen der Welt mit Federboas füllt. Mehrfach. Auf Spotify hat Louis Tomlinson fünf Millionen monatliche Hörer - eine Zahl, für die die meisten Künstler:innen töten würden. Aber dennoch: Harry Styles kommt auf 70 Millionen. Da sind diese Vergleiche. Auch Zayn hats versucht, leidet nun aber unter Depressionen. Niall Horan ist Juror bei The Voice UK und dreht eine Doku mit BFF Lewis Capaldi. Liam Payne führte 2017 kurz die Liste der biggest-selling Singles der One Directioner an. Dann kam Harry...

2019, nachdem Tomlinsons dritte Solosingle «Walls» auf Platz 39 der Charts eingestiegen war, erklärte er, er wolle sich nicht mehr auf Chartplatzierungen konzentrieren und überdenken, «was Erfolg für ihn bedeutet». Wenn man mal in einer massiv erfolgreichen Band war, dann ist da eine gewisse Fallhöhe. «Gotta get it out of my system / Gotta get it off of my chest/ I've lived a lot of my life already / But I gotta get to the rest» singt der 30-Jährige in der brandneuen Singe «Out of My Stystem», die nach Indie-Rock klingt, wie ihn We Are Scientists Mitte der 2000er gemacht haben. Da ist kein «Watermelon Sugar High». Da wird reflektiert. Da ist schon viel passiert, aber da geht noch was.

Auch die erste Single des Albums, der melodische Gitarren-Pop-Song «Bigger Than Me», behandelt die ständig wiederkehrende Arbeit an sich selbst, Selbstzweifel loszulassen und negative Stimmen auszublenden. «Eine Zeit lang war sogar die Vorstellung, älter zu werden, wirklich beängstigend für mich, weil ich meine gesamte Jugend in der Band verbracht habe», so Tomlinson zu BBC. Und zack, plötzlich ist man 30 und ein Solo-Artist. «Ich würde mich über einen kommerziellen Erfolg dieser Platte freuen, versteht mich nicht falsch«, so der Briste weiter. «Wird sie im Radio gespielt werden? Ich habe keine Ahnung. Aber wenn nicht, wäre das nicht das Ende...»

Die reinste Form des Glücks

Vor dem Erfolg war die Musik. Um diese Leidenschaft sollte es einem Künstler oder einer Künstlerin gehen. Wie bereits erwähnt: Das ist leichter gesagt als getan und gefühlt, wenn man schon auf dem Musik-Olymp sass und vom Rest überholt wird. Louis Tomlinson besinnt sich da nun aufs Wahrhaftige. Ohne Gucci-Roben, Nagellack, Filmrollen und prominente Girlfriends. Auf sein Songwriting, das er bei One Direction vorangetrieben hat, auf die bevorstehende Tour. «Ohne mich über all die anderen Seiten meines Jobs beschweren zu wollen: Auf Tour zu gehen, ist die wahrhaftigste Form dessen, was ich tue», so Tomlinson. «Radio, Presseinterviews, Plattenlabels... das alles ist so aufgeladen. Ihr wisst schon: 'Ich hoffe, wenn ich dies tue, bedeutet das, dass das passieren wird.' Auf Tour ist das, was du siehst, das, was du bekommst. Die Leute haben Geld bezahlt, um deine Show zu sehen, und du bekommst sofort eine Reaktion. Es gibt keine Komplikationen in der Mitte. Man versucht nicht, zwischen den Zeilen zu lesen.»

Nun gut, dann laufen die anderen eben im Radio. Aber One Direction war auch deswegen eine so gelungene Boyband, weil sie aus den richtigen Fünf (später Vier) bestand. Es kann nur einen geben? Mitnichten. Wer zeitgemässen Britpop ohne Geplänkel mit Live-Liebe will, der macht Louis Tomlinson zum Posterboy. Und kommt am 23. Oktober 2023 ins Zürcher Hallenstadion.

Tickets gibts HIER.

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