Pubblicato il 26. ottobre 2022

Warum Xtinas «Stripped» nach 20 Jahren aktueller denn je ist

Zwei Jahrzehnte ist es nun her, dass Christina Aguilera in Lederchaps ganz dirrty durch einen Boxring tanzte. Damals war man so fasziniert wie schockiert. Roh, intim, rebellisch, feministisch, empowering und zuweilen erotisch – Mit dem Album «Stripped» feuerte der Popstar ein schillerndes Zeitdokument der weiblichen Selbstbestimmung ab. Eine Spurensuche in Form von Videos.

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Eine tiefsitzende Jeans und nichts als ein struppiges Durcheinander an Extensions, das ihr über die Brüste fällt – mehr trug die damals 21-Jährige auf dem Cover ihres dritten Albums nicht. Christina Aguilera wollte sich freimachen. Von einer Vergangenheit als Kinderstar an der Seite ihrer Disney-Channnel-Kollegin Britney Spears. Von dem Dasein als artig lächelnder, angepasster Bubblegum-Star. Von einer Maschinerie, die Künstlerinnen ein ganzes Pop-Regelwerk vorlegte. Also zog sie aus, um sich auszuziehen und versetzte mit der ersten Single «Dirrty» alle in Schockstarre. Die war doch mal so süss? Warum spreizt sie die Beine in einer Hose, die keine ist? Warum springt sie männliche Tänzer an wie ein wildgewordenes Tier? Hilfe, ein Orgie! Die lammfromme Christina wurde von einer vermeintlich bösen Version namens Xtina verschluckt.
Dabei hat die damals, vor 20 Jahren, schon gesagt, was jetzt alle posten. So hört und liest sich der persönliche Befreiungsschlag «Stripped» wie die Zusammenfassung woker und awareness-basierter Social-Media-Predigten. Was folgt, sind vier Gründe, erörtert anhand von Songs und Musik-Clips, warum das Album so wichtig war. Und es immer noch ist.

«Dirrty»: Die sexuelle Selbstbestimmung der Frau

Feministin sein und Brüste zeigen – das geht nicht. Damit muss sich Model, Autorin und Schauspielerin Emily Ratajkowski seit Anfang ihrer Karriere auseinandersetzen. Niemand steht 2022 mehr für eine Bewegung, die das Internet für ihre Belange nutzt. Einer, der es um die Rückforderung der Weiblichkeit geht. Und darum, die Wahl zu haben. «Feministinnen hatten früher ein Problem mit weiblicher Sexualität wegen ihrer patriarchalischen Version. Aber ich finde, dass Frauen ihre Sexualität nicht verneinen sollten», erklärt sie der deutschen Vogue. Sie proklamiert also vor allem eins: Habt keine Angst, ihr selbst zu sein. Was aber in erster Linie auch bedeutet, offen mit der weiblichen Sexualität umzugehen, ergo sich so aufreizend wie möglich zu zeigen.

Kommt euch bekannt vor? Korrekt, exakt das tat Christina Aguilera 2002 mit «Dirrty», der ersten Single des Albums. «Ich wollte, dass es alle Facetten des Frauseins umfasst», so Aguilera kürzlich gegenüber der US-Vogue. «Es gibt so viele Regeln, die uns [als Frauen in der Musik] auferlegt werden, und mir wurden sie schon als kleines Mädchen vorgelegt. Je älter ich wurde, desto mehr wurde mir klar, dass man sich dagegen wehren und seine eigene Geschichte schreiben muss. Ich wollte dagegen ankämpfen, wie ein Popstar aussehen und klingen sollte.» Die Lederchaps, der Bikini – all das sollte ihre sexuelle Selbstbestimmung widerspiegeln. Was weibliche Sexualität für sie bedeutet – «aber nicht auf die Art und Weise, wie sie laut eines Mann auszusehen hat.»

«Can't Hold Us Down»: Feministische Hymne gegen Doppelstandards

Sexy soll man sein, aber nicht zu sehr. Brav soll man sein, aber nicht langweilig. Gut im Bett soll man sein, aber keine Schlampe. Das Feature mit Lil' Kim thematisiert, wie Frauen, die wissen, was sie wollen, von der Gesellschaft behandelt werden. Und hält jenen den Spiegel vor, die sie kleinmachen wollen: «So, what, am I not supposed to have an opinion? / Should I keep quiet just because I'm a woman? / Call me a bitch 'cause I speak what's on my mind / Guess it's easier for you to swallow if I sat and smiled / When a female fires back/ Suddenly big talker don't know how to act» Christina Aguileras Lyrics stehen so seit 20 Jahren für eine starke Generation, die zusammenhält: «So what do we do, girls? Shout louder!»

«Fighter»: Resilienz und Mental Health

Der kraftvolle Song behandelt die Enge und somit das Ende einer toxischen Beziehung. Anstatt wehmütig auf romantische Erinnerungen zurückzublicken, richtet sie den Blick nach vorne und weiss, dass sie niemanden braucht, um zurechtzukommen. Sie verabschiedet sich von ihrem Ex-Partner, indem sie ihm dankt, dass er sie zu der unabhängigen Frau gemacht hat, die sie geworden ist. Es lohnt sich also, immer wieder aufzustehen, zu kämpfen und Rückschlägen zu erlauben, aus ihnen zu lernen. Es ist ein Aufruf, Widerstandsfähigkeit zu trainieren, an seiner geistigen Gesundheit zu arbeiten und auf sich selbst zu hören.

«Beautiful»: Selbstliebe und Toleranz

Wer hätte es gedacht: Christina Aguileras Selflove-Ode ist fast ein Jahrzehnt älter als Lady Gagas «Born This Way» oder Keshas «We R Who We R». In einer Zeit, in der mit TikTok oder Apps wie BeReel die ungeschönte und ungefillterte Realität mit Body Positivity und Toleranz zelebriert wird, scheint «Beautiful» fast wie vorgegriffen. Wir alle seien schön, heisst es. Ganz egal, ob dick, dünn, schwarz, weiss, heterosexuell oder queer. Die LGBTQ-Community fühlte sich verstanden – lange, bevor Inklusion zum Zeitgeist gehörte. All das sind Botschaften, die nun 20 Jahre später unsere Feeds fluten.

«Beautiful» 2022

Zwei Jahrzehnte nach der Veröffentlichung des ersten Videos gibt es nun einen neuen Clip: Der Kampf der 41-jährigen Zweifach-Mutter richtet sich nun gegen falsche Schönheitsideale in den sozialen Medien: «Heutzutage ist es schwieriger denn je, unsere eigene Stimme zu hören, wenn so viele andere mit ihren uneindeutigen Botschaften in unsere Feeds und Köpfe eindringen», so Aguilera auf Instagram. Im neuen Video sind keine verzweifelten Teenager mehr zu sehen, sondern Kinder, die in ihre Smartphones starren und sich die Markierungen für Schönheits-OPs aus dem Gesicht wischen. Zum Schluss liegt ein blutendes Handy auf dem Boden. «Social Media hat die Beziehung zu unseren Körpern verändert.» Dagegen müsse man vorgehen. Aber wie wir Xtina kennen, leistet sie längst ihren Beitrag.

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