Travelzone: Montreal für Musikfans
In unserer neuen Rubrik stellen wir Städte vor, in denen Musik steckt. Zu den besten Popkultur- und Food-Spots für einen rundum gelungenen Tag gibt’s außerdem die perfekte Playlist von uns. Los geht es mit jener Stadt, die der Welt u. a. Leonard Cohen, Arcade Fire und Grimes geschenkt hat.
Als Musikjournalist verdient man zwar nicht in der Liga der Investmentbanker:innen, aber man hat viele angenehme Begleiterscheinungen. Eine davon: Man wird zu internationalen Musikevents eingeladen und trifft dabei auf Gastgeber:innen, die wissen, wo die Musik spielt. Für unsere neue Rubrik haben wir uns vorgenommen, dieses Wissen zu teilen. Wir stellen spannende Musikstädte vor und geben euch Tipps an die Hand, wie man als Musikfan den Tag am besten rumbekommt.
Indie und Jazz prägen Montreal
Los geht es mit der spannenden Stadt Montreal im französischsprachigen Teil Kanadas. Viele denken bei Montreal sicher zuerst an Leonard Cohen und Arcade Fire, die Stadt ist aber auch eine wahre Jazz-Hochburg. Hier findet seit 1980 das größte Jazz-Festival der Welt statt – das «Festival International de Jazz de Montréal». Man muss aber gar nicht nur nach den ganz großen Namen schauen: Geprägt von zahlreichen alternativen und kommerziellen Konzertlocations hat sich hier mit den Jahren eine sehr lebendige Szene entwickelt. Vor allem der Einfluss der indigenen und der französischen Kultur sorgt für eine Klangvielfalt, wie man sie selten so kompakt findet. Einige namhafte Acts der letzten Jahre, die aus Montreal stammen oder dort geprägt wurden: Patrick Watson, Grimes, Chilly Gonzales, Rufus und Martha Wainwright, Peaches oder die auf der ganzen Welt kultisch verehrte Postrock-Instanz Godspeed You! Black Emperor. Wer sich für neue Musik interessiert, lernt das am besten im November auf dem «M For Montreal»-Festival. Dort werden immer im November die spannendsten Newcomer:innen aus Montreal und der Region Quebec präsentiert. Einige unserer Entdeckungen findet ihr neben ikonischen Songs aus und über Montnreal in unserer Playlist:
Auf einen Kaffee bei Martha Wainwright
Jetzt, wo der Soundtrack gesetzt ist, können wir zu den handfesten Empfehlungen kommen. Wobei wir anmerken sollten, dass wir hier nur einen kleinen, aber handverlesenen Part vorstellen können. Wer guten Kaffee, alternative Kunst und haltungsstarke Songwriterinnen mag, findet all das im Café von Martha Wainwright. Das floriert im «coolsten Viertel der Welt» (laut letztem Ranking des Magazin «Time Out») Mile End. Das Kulturprogramm darin ist eben so gut wie der Kaffee und der Kuchen – und wer Glück hat, sieht sogar Martha, wie sie als lässige Gastgeberin umherstreift oder auch mal selbst einen Kaffee bringt.
Auf den Spuren von Leonard Cohen
Leonard Cohen, der bis zu seinem Tode in Montreal lebte, ist wohl der berühmteste Musiker der Stadt. Das gigantische Mural, das ihr auf dem Foto des Artikels seht, ist nur einer von vielen Hinweisen darauf. Ihr findet es in der 1420 Crescent St – besonders schön wirkt es aber, wenn man von der Aussichtsplattform des Mont Royal auf die City und das Bild schaut. Dass die Stadt Leonard Cohen dermassen liebte, liegt vielleicht daran, dass er diese Liebe erwiderte. Es war die Stadt seiner Kindheit und Cohen sagte noch 2006 in einem Interview: «I feel at home when I’m in Montréal — in a way that I don’t feel anywhere else. I don’t know what it is, but the feeling gets stronger as I get older.» Cohen lebte bis zu seinem Tod im Teil Montreals, den man Plateau nennt, in einem Haus in der 28 Rue de Vallieres. Cohens Grab wiederum findet ihr auf dem jüdischen Friedhof Shaar Hashomayim Cemetery am Mont Royal. Seit seinem Tod sieht man Cohen auch auf Briefkästen und sogar auf Postautos. Mit ein wenig Glück findet man auch noch kleine Liebeserklärungen wie diese:
Die Traditionsgerichte: Bagels und Poutine
Wer in Montreal is(s)t, sollte unbedingt die Traditionsgerichte probieren. Geradezu weltberühmt sind die Backkünste der Bagel-Bäckereien. Man könnte hier ein halbes Dutzend aufzählen, aber wir bleiben mal bei Leonard Cohen: Der ging nämlich immer zu St-Viateur Bagel (263 Saint-Viateur Street), ein Café mit Bäckerei, das 1957 vom Buchenwald-Überlebenden Myer Lewkowicz gegründet wurde und auch im Plateau zu finden ist. Gewöhnungsbedürftiger und ungesünder ist das andere Traditionsgericht: Poutine. Die besteht normalerweise aus handgeschnittenen Fritten, Bratensauce und verarbeiteten Käsebruchstücke, die bei der traditionellen Herstellung von Cheddar-Käse entstehen. Am Originalsten gibt es das bei Patati Patata am 4177 St Laurent Blvd. Viele Tourist:innen schreiben nach einer guten Poutine gerne mal so etwas wie «pervers geil» ins Internet – und das trifft’s ganz gut.
Plattenkauf bei Aux 33 Tours
Es gibt zahlreiche sehr gute Plattenläden in der Stadt. Einer der grössten und am besten sortierten findet sich ebenfalls im Plateau und zwar in der 1373 Mont-Royal Ave E. Hier sind die Platten zwar auch mal zwei bis drei Dollar teurer als anderswo, dafür hat man aber viele limitierte Editionen, eine grosse Auswahl in fast allen Genres, viel gute französisch-sprachige Musik, viel Jazz und alle Indie-Acts, die man so braucht.
Der perfekte Abschluss des Tages: ein Konzert und ein Bier im Casa del Popolo
Wer ein paar Tage in Montreal verweilt, sollte zuerst einmal Songkick und Co. checken, was denn dort alles so spielt. Das Theater Le Fairmount ist außerdem immer eine gute Adresse. Wer es moderner mag, checkt den Club Soda aus. Wer aber handverlesene Überraschungen sehen will, der könnte meistens im Casa del Popolo Glück haben. Ihr findet es ebenfalls im Mile End, an der kulturellen Hauptschlagader der Stadt, dem Saint Laurent Boulevard. Die Mischung aus Galerie-Shop, Bar und Konzertlocation wird u. a. von einem Mitglied der Band Godspeed You! Black Emperor geführt und ist seit Jahren Pilgerstätte für die hiesige Indie-Szene. Da macht es oft gar nix, wenn man die Bands im Billing vorher noch nicht kennt – enttäuscht wird man selten.
Wir hoffen, hier waren einige hilfreiche Tipps für euch dabei. Solltet ihr nach Montreal reisen können, schickt uns gerne eine Postkarte!