Pubblicato il 24. novembre 2023

Spotifys neues Abrechnungsmodell sorgt

Ab 2024 tritt auf Spotify ein neues Auszahlungsmodell in Kraft. Für Schweizer Musiker:innen und kleinere Künstler:innen fällt der Deal dabei auf den ersten Blick schlechter aus. Ist das wirklich so? Wir haben uns mit dem Präsidenten des Verbands der Schweizer Musiklabel darüber unterhalten.

Journalist
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Ab dem neuen Jahr bekommen Musiker:innen, die ihre Songs auf Spotify platzieren, nur dann noch Geld ausbezahlt, wenn diese einen Grenzwert von mehr als 1’000 Plays pro Jahr überschreiten. Von den über 100 Millionen Songs, die derzeit auf der Plattform bereit stehen, erreichen weniger als 40% diese Vorgaben.

Spotify argumentiert, dass die Beträge, die ausbezahlt werden müssten, zu klein sind, was den Aufwand nicht rechtfertigt. Stattdessen fliessen die Einnahmen daraus nun in einen Pool, der dann wiederum unter den populärsten Künstler:innen aufgeteilt wird. Das sogenannte Pro-Rata-Modell wurde schon öfter angeprangert, weil User damit für Musik bezahlen, die sie selbst nicht hören.

Kein Geld mehr für Regengeräusch

Mehrheitlich positiv aufgenommen wurde hingegen, dass «Fake Tracks» und Ambient- oder White Noise-Geräusche künftig keine Zahlungen mehr erhalten sollen. Hierbei gibt es allerdings noch Unklarheiten und offene Fragen. Schwierig wird es zum Beispiel, wenn Spotify definiert, was Ambient-Musik und was einfach nur eine lieblos aufbereitete Soundkulisse ist.

Musik-Streaming bleibt damit weiterhin ein kompliziertes Business. Wir haben darum Lorenz Haas um eine Analyse gebeten. Haas ist seit mehr als zehn Jahren der Geschäftsleiter der IFPI, dem Schweizer Verband der Musiklabels.

Herr Haas, Spotify hat sein Tantiemenmodell überarbeitet. Sehen Sie eine positive Entwicklung für die Künstler:innen?

Es ist gut, dass immer mehr Streamingdienste - nicht nur Spotify - auf gewisse Fehlentwicklungen der letzten Jahre reagieren und mit den Labels neue Regelungen vereinbaren. Sie zielen darauf ab, Künstler «aus Fleisch und Blut» mit professionellen Ambitionen und mit ebenso echten Fans zu stärken. Das ist richtig.

Mit dem überarbeiteten Modell fliesst laut Spotify zusätzlich eine weitere Milliarde Dollar in Richtung der Künstler:innen, verteilt über die nächsten fünf Jahre. Glauben Sie dieser Rechnung?

Wir werden es sehen. Wichtiger als solche Versprechungen sind die Einsicht und das aufrichtige Bemühen, Fake Streams und Fake Artists nachhaltig zu schwächen. Gelingt dies, werden sich die Tantiemen für echte Acts automatisch positiv entwickeln.

Gemäss dem «Loud & Clear»-Upate von Spotify verzeichnen über 60% der rund 100 Millionen Songs, die sich auf der Plattform erhältlich sind, weniger als 1’000 Plays. Ab dem nächsten Jahr würden also fast zwei Drittel aller Produktionen nicht mehr entlohnt werden. Eigentlich ein Skandal, oder nicht?

1’000 Plays pro Jahr auf einer globalen Streamingplattform sind wirklich sehr, sehr wenig. Spotify selbst begründet diesen Schritt damit, dass derartige Mini-Beträge ohnehin nicht die Auszahlungsschwellen der Digitaldistributoren erreichen und von den Bank- und Überweisungskosten neutralisiert werden. Auch sollen 99,5% aller Streams Tracks betreffen, die über der genannten Schwelle liegen. Das dürfte in etwa stimmen und lässt die von Ihnen genannten Zahlen in einem anderen Licht erscheinen. Es war übrigens schon auf iTunes so, dass die weitaus überwiegende Anzahl der Tracks und Alben nie oder fast nie gehört oder gekauft wurden.

Alternative und nischige Musik verliert mit dem neuen Modell klar. Überspitzt könnte man behaupten, dass Mundart-Musik per Definition ziemlich nischig ist. Was bedeutet das neue Modell für Schweizer Musiker:innen?

Mundart-Musik hat es auf den Streamingplattformen in der Tat relativ schwer, weil diese global und auf ein grosses Publikum ausgerichtet sind. Ob und inwiefern Mundart-Musiker spürbar finanzielle Einbussen hinnehmen müssen, wird man sehen. Schaue ich mir die monatlichen Hörerzahlen der wesentlichen Bands an, dürfte sich nicht viel ändern.

Gibt es eine Streaming-Plattform, die sie Schweizer Musiker uneingeschränkt empfehlen können?

Kein Musiker mit gewissen Ambitionen kann es sich heute noch leisten, auf den grossen Plattformen nicht präsent zu sein. Es ist eine Illusion zu glauben, man könne sich die Plattformen aussuchen. Wer sich beispielsweise nur auf Bandcamp präsentieren will, wird sein Publikum verlieren oder es gar nie finden.

Und was würden Sie den Konsumenten nahelegen, die ihre Lieblingskünstler:innen unterstützen wollen? Egal ob lokal oder international.

Bald ist ja Weihnachten und es gibt unzählige – und oft auch sehr wertige – Merchandisingartikel auch von kleineren Bands. Warum nicht wieder einmal sich selbst und gute Freunde beschenken?

Spotify gibt es seit mehr als zehn Jahren und genau so lange wird schon darüber diskutiert, wie eine faire Monetarisierung und Entlohnung der Künstler:innen aussehen sollte. Das aktuelle Beispiel legt nahe, dass wir nicht wirklich weiter sind. Ist Musik-Streaming als Geschäftsmodell gescheitert?

Mit Verlaub, die Frage ist schon etwas kurios und Ausdruck einer gelegentlich sehr einseitigen und etwas unehrlichen Diskussion. Das Streamingmodell hat die gesamte Musikbranche aus der deprimierenden Phase der Musikpiraterie und zu neuen Umsatzrekorden geführt - auch in der Schweiz. Manchmal drückt sich die Debatte auch vor einer zentralen, aber unangenehmen Einsicht: Wenn Musik kein Publikum findet und dadurch keine Einnahmen fliessen, liegt das meistens einfach an der Qualität, Basta! Das ist zwar hart, aber letztlich fair. Viele wissen das, wollen es aber nicht wahrhaben oder aussprechen und machen ein ziemliches Geschwurbel um “Fairness”. Verstehen Sie mich nicht falsch: Damit streite ich nicht ab, dass Vieles verbessert werden kann und soll. Die Ankündigung von Spotify ist ein wichtiger und insgesamt richtiger Schritt in diese Richtung.

Wie sieht die Zukunft des Musik-Streaming aus und wo müsste man ansetzen, dass dieses für alle Beteiligten fair ausfällt?

Ich sehe ein grosses Problem darin, dass die Streaminganbieter aus unserer Schweizer Sicht als Einbahnstrasse funktionieren: Schweizer Musik hat es generell schwer, den Sprung in die wichtigen Playlists und ins Ausland zu schaffen. Das liegt daran, dass das Angebot und die Playlists von Leuten in Berlin und anderswo kuratiert werden, die über keine Kenntnisse des Schweizer Marktes verfügen. Es braucht von den Anbietern einfach mehr Engagement vor Ort in der Schweiz im Sinne von “global denken, lokal handeln”. Davon würde die Schweizer Szene enorm profitieren.

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