Spotify will mit euch ins Bett
Seit Anfang des Monats gibt es bei Spotify eine automatisch generierte, aber auf die individuellen Hörgewohnheiten zugeschnittene Playlist namens «Intimate Mix». Ist das jetzt der «KuschelRock» des Streaming-Zeitalters? Und wie hot sind diese Empfehlungen tatsächlich?
In den später Neunzigern und in den Nullerjahren gab es diese fürchterlichen «KuschelRock»-Sampler, die auch in der Schweiz sehr erfolgreich waren. Als hätte man als junger Mensch nicht schon genug Unsicherheiten in sexuellen Dingen, drohte nun auch die Gefahr, bei Songs wie «Hijo De La Luna» von Loona oder Sashas «If You Believe» in Stimmung bleiben zu müssen.
Schon damals hatten viele dieser Sampler, die damit warben der perfekte Soundtrack für intime Momente zu sein, ein paar fragwürdige Vorschläge. Wer kam zum Beispiel auf die Idee, dass Eric Clatpons todtraurige Ballade «Tears In Heaven», die er nach dem Unfalltod seines vierjährigen Sohnes schrieb, irgendwie hot oder kuschelig sei.
Fragen dieser Art werden gerade wieder – mit aktuelleren Beispielen – in diversen sozialen Netzwerken diskutiert. Der Grund: Spotify hat Anfang des Monats einige neue personalisierte Playlisten gelauncht. Darunter auch der «Intimate Mix», der verspricht Musik für die intimen Momente zu spielen.
Kuschelfolk und streichelsanfte Neo-Klassik
Das Ergebnis ist beim Autor dieser Zeilen gar nicht mal so schlimm. Zumindest wenn man sich nicht darum schert, was in all diesen Liedern tatsächlich gesungen wird. Die vielen K-Pop-Banger werden unterschlagen, die sehr intensiven und zahlreichen Plays der härteren Klänge von Duma über Sepultura bis Napalm Death ebenfalls, der hymnisch gerotzte Riot-Grrl-Punk von Hole, der die letzten Wochen auf Dauer-Rotation lief, findet auch keine Beachtung. Wie schade.
Stattdessen immerhin: wunderschönen Stimmen, kuscheliges Tempo, intime Aufnahmen. Spotify will mir sehr deutlich sagen, dass trauriger Indie-Folk oder instrumentale, streichelsanfte Neo-Klassik (obwohl man die immer bei Apple Music hört) in Momenten der Nähe besonders gut funktionieren. Oder hat «Butter Notes» von Nils Frahm hier eine andere Bedeutung?
Giftige Umarmungen und wehende Red Flags
Tricky wird es, wenn man es nicht abstellen kann, auf die Texte zu achten. Will man wirklich zu diesen Zeilen eines von Sucht und Depression und Suizidgedankten gequälten Songwriters intim werden? «Angeles» von Elliott Smith ist damit gemeint, wo Smith singt: «I can make you satisfied in / Everything you do» klingt noch etwas großmäulig, aber OK. «All your secret wishes could right / Now be coming true». Same. Aber spätestens hier wedelt jemand am Bettrand mit einem Dutzend Red Flags: «And be forever with my poison arms around you».
Auch Laufeys «Goddess» ist ein wenig problematisch. In dem Song geht es um Grooming. Ein Ex, der sie als sehr junge Frau bezirzte und manipulierte, bekommt diese Abrechnung: «You took me for a fool / You stole my youth / You wanted this so much / You watched me rise / Then killed my light.» Das ist zwar auf eine Weise intim – aber eben nicht auf eine gute.
Trotzdem gibt es den ein oder anderen Volltreffer: «Nothing Matters» von The Last Dinner Party zum Beispiel ist ein sweeter Lovesong mit raunchy Elementen, wenn es im Refrain heißt: «And you can hold me like he held her / And I will fuck you like nothing matters.» Auch «Don’t Delete The Kisses» von Wolf Alice ist eine Liebesgeschichte, die mit Selbstzweifeln beginnt, aber ein romantisches Happy End hat.
Diese Beispiele stammen natürlich allesamt aus der Liste des Autoren – aber checkt doch mal eure eigene Playlist, die eigentlich hier auftauchen müsste: