Sam Himself: «Man darf den Klischees nicht auf den Leim gehen.»

Der schweiz-amerikanische Musiker Sam Himself hat soeben sein zweites Album «Never Let Me Go» veröffentlicht, das er mit namhaften Musikern in New York aufnahm. Ein Gespräch über den Sound des amerikanischen Heartlands, Roadtrips gegen den Lockdown und Rock-Klischees, die es ironisch zu brechen gilt.

Journalist

Für die Aufnahmen des Albums hast du in New York eine sehr erfahrene Truppe zusammengestellt. Dein langjähriger Produzent Daniel Schlett, der an Alben von Acts wie Theo Croker, Iggy Pop und The War on Drugs gearbeitet hat, Chris Egan, der schon mit Solange und Blood Orange Schlagzeug spielte und Josh «JD» Werner, dessen Bass-Spiel auf Songs von Ghostface Killah und CocoRosie zu hören ist. Das Mastering von «Never Let Me Go» besorgte dann Greg Calbi, der seit Ender der 70er aktiv ist und schon Alben von Yoko Ono, über Lou Reed, Bruce Springsteen, die Ramones, David Bowie, Iggy Pop bis hin aktuellen Acts wie MGMT, Arcade Fire, Kimbra und Bon Iver den Feinschliff gab. Wie kam es zu diesem Team, mit dem man jeden Namedropping-Contest gewinnen könnte?

Erst einmal freut es mich sehr, dass das Team auch mal ein Shoutout kriegt. Das ist gewachsen über die Zeit, die ich in New York verbracht habe. Nicht nur für dieses Projekt, sondern auch für andere, die dann vielleicht noch nicht so geklappt haben. Aber das coole an New York ist: Du baust dir da eine Community auf mit der Zeit, wenn du ernsthaft Musik machen willst. Im Idealfall mit Leuten, die du bewunderst. Und diese Zusammenarbeit hilft dann sehr, Berührungsängste abzubauen. Da sitzt man dann im selben Studio, wo Iggy Pop am Tag drauf mit denselben Leuten arbeitet. Die mir dann allerdings auch erklären, dass ich nicht Iggy Pop bin. Aber die Nähe und Zugänglichkeit von sehr guten Musiker:innen aus diesem Kader waren schon wichtig für mich. Daraus sind tolle Freundschaften entstanden. Das war glaub ich eines meiner wichtigsten Takeaways aus New York.

Musikjournalist:innen und Promoleute sind manchmal, wenn es um Vergleiche und «Klingt wie’s» geht, betont simpel unterwegs. Man liest oft über dich, du würdest wie The National oder Bruce Springsteen klingen. Wie gehst du mit diesen Vergleichen um, die ja die Latte recht hoch legen?

Das ist natürlich ein Riesenkompliment, wenn man so was liest. Das sind Bands oder Künstler, die ich gerne höre und die mich beeinflusst haben. Aber mehr dann auch nicht. Mich hat mal vor ein paar Jahren jemand etwas schnippisch gefragt: Was ist denn eigentlich der Unterschied zwischen dir und Künstler XY? Und ich bin dann freundlich geblieben und habe gesagt: Da muss ich jetzt weit ausholen, aber höre es dir doch noch mal genau an. Für mich ist es aber in erster Linie schmeichelhaft. Ich weiß aber nicht, ob das umgekehrt genauso ist: Frag doch The National das nächste Mal, ob Sam Himself ein großer Einfluss für sie war? Mal schauen, wie sie reagieren.

An den Springsteen-Vergleich musste ich zwangläufig denken, als ich den Song «Heartland» gehört habe, den ich sehr mochte. Ist er eine Hommage?

«Heartland» ist der Fokustrack der Platte und liegt mir sehr am Herzen, deshalb freut es mich, dass er dir gefällt. Das ist quasi ein vertonter Roadtrip während der Covid-Zeit. Für mich hat er diese Verträumtheit, aber auch die radikale Bezogenheit auf eine andere Person, mit der man diese Reise macht. Man fühlt sich da, als wäre man in einer Art Kokon, mit dem man sich umgibt. Was sich im Auto natürlich auch anbietet, wenn du auf einem Roadtrip bist – vor allem während Covid, wo man ja eh zwangsläufig in so einer Bubble war. Das Lied ist eine Liebeserklärung an diesen Zustand des Gemeinsam-Reisens, aber auch an die Orte dieser Region, die man Heartland nennt und an die Nähze zu dieser Person. Das darf Klischees und Pathos haben, weil das ja das Heartland und seinen Sound ausmacht. Das Lied ist außerdem gespickt mit Insider-Jokes für eine bestimmte Person.

In dem Lied wird auch gepfiffen. Das halte ich für ziemlich wagemutig. Gefällt mir aber.

Das freut mich. Ich muss mein Pfeifen noch üben – vor allem live. Im Studio habe ich auch ein paar Takes gebraucht. Als ersten recorded Pfiff in meinem Oeuvre will ich ihn auch als kleine Hommage an Spaghetti-Western und an Sergio Leone verstanden wissen. Für mich war die Musik während dieser Reise wie ein Western-Soundtrack und wir zwei waren «The Good, The Bad and The Ugly», die da so rumgetobt sind.

Lass uns über «My Great Esape» reden – die Power-Ballade des Albums. Wir waren gerade schon beim Thema Pandemie. Die steckt ja in vielen Songs, die gerade das Licht der Welt erblicken. War dieses Lied vielleicht auch eine Reaktion auf diese Situation? Dieses ausbrechen und flüchten wollen?

Die Pandemiezeit hat sicher ihre Spuren hinterlassen. Aber ich denke, ich habe mein Pandemiealbum schon ein bisschen länger hinter mir. Das war mein erstes Album «Power Ballads». Man kann die Entstehung des einen von dem anderen natürlich nicht genau trennen, aber ab jetzt rede ich nicht mehr von der Pandemie. «Never Let Me Go» habe ich während des Endes der Kern-Covid-Jahre aufgenommen. Ich wollte mich auf genau diesen Aspekt konzentrieren: das Wieder-Eintauchen und Wieder-Ausgehen. Ich bin mir bewusst, dass das inzwischen in dem Musikjournalismus, den ich lese, fast schon wieder ein eigenes Klischee geworden ist. Es haben natürlich viele Künstler:innen in dieser Zeit Zeug aufgenommen. Oft sehr gutes. Anfangs vom Lockdown geprägtes und dann das Folge-Szenario von «Jetzt gehen alle wieder tanzen». Das liegt natürlich nahe – aber das hat auch was. Es hat also schon ein Grund, warum das so verbreitet ist. «My Great Escape» ist sicher geprägt vom Verlust einer gewissen Disziplin in guten und schlechten Angewohnheiten und von einer gewissen Regulation, die dann während der Pandemie zu einem zu engen Kostüm wurde, das es zu zerreissen gilt. Außerdem bin ich ein großer Steve McQueen-Fan – deshalb der Titel. Wird im Titelsong von «The Great Escape» nicht auch sogar gepfiffen?

Die Vorabsingle war «Mr. Rock’n’Roll». Die fand ich sehr interessant. Da geht es um Rollen, die man als Musiker spielen muss. Um Klischees. Du ironisierst das sehr. Aber man hört auch raus, dass es manchmal gar nicht so leicht ist, auf der Bühne den «Mr. Rock’n’Roll» zu geben, den alle bei deiner Musik erwarten. Wie denkst du über diese seltsame Rolle nach, die man spielen muss, wenn man seine Musik nach draußen trägt, aus dem Studio kommt, das Touren wieder losgeht?

Auf jeden Fall denke ich zu viel darüber nach. Das versuche ich aber einzudämmen. Ich weiß, dass es nervig werden kann, wenn ich das zu sehr in meine Musik einfließen lasse. Das ist wie in der Literatur: Ich finde diese «writer’s writer», die über das Leben als Schriftsteller:in schreiben, fürchterlich. Das interessiert keine Sau. Aber obwohl ich mir Gedanken drüber mache und die Klischees einerseits Anti-These sind, gehen sie andererseits sicher tiefer, als ich mir dessen bewusst bin. Ich muss da irgendwie eine Balance finden. Einerseits nicht alle zuzulabern mit den Gedanken, die ich mir gemacht habe zu diesen Rock’n’Roll-Klischees. Andererseits in der Rolle, in der ich mich befinde, diese bierernste Selbstauseinandersetzung damit ein bisschen hochzunehmen. Also einerseits nicht den Klischees auf den Leim gehen und den Mick Jagger zu geben, andererseits nicht den ganzen Tag damit zu verbringen, mir Gedanken zu machen, wie schwer das ist. Ich mein: I should be so lucky, dass ich das alles hier machen kann.

Im Februar ist Sam Himself mit seinem Album «Never Let Me Go» auf Tour in der Schweiz und in Österreich. Alle Infos und Tickets gibt es hier.

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