Mit Kettcar an den Landungsbrücken raus bis Zürich
Kettcar haben der Rockmusik in deutscher Sprache einige Sätze für die Ewigkeit verpasst. Im Januar kommt die Hamburger Indie-Instanz mit ihrem aktuellen Album «Gute Laune ungerecht verteilt» ins Kaufleuten.
Hat man auch nicht alle Tage, dass man hier über eine Band schreiben kann, bei der man eher so halb zufällig vor gut 23 Jahren ins allererste Konzert von ihnen geraten ist. Aber so ist es: Der Autor dieser Zeilen war Anfang der Nullerjahre Anfang zwanzig und hatte gerade begriffen, dass man auch in deutscher Sprache intelligente, mitreissende Musik machen kann.
Die Gründung von Kettcar im Jahr 2001
Auf dem Weg zu dieser Erkenntnis halfen ihm Bands wie Tomte oder die Punkbands …But Alive und Rantanplan. Marcus Wiebusch, seit 2001 Sänger und Cheftexter von Kettcar, war Teilzeitsänger bei Rantanplan und die Stimme von …But Alive.
Ausserdem war er ein Kumpel von Tomte-Sänger Thees Uhlmann, mit dem er später das Label Grand Hotel van Cleef (GHvC) gründen sollte, auf dem die Kettcarplatten bis heute erscheinen. Dritter Mann im Bunde war Reimer Bustorrf, der ebenfalls beim GHvC und Kettcar einstieg.
Das erste Konzert von Kettcar in Münster
Ihr allererstes Konzert spielten Kettcar dann im Vorprogramm von Tomte im Gleis 22 im Jahr 2001 in Münster. Der Autor dieser Zeilen hat diesem Jugend- und Kulturzentrum bis heute wichtige Impulse für die musikalische Sozialisation zu verdanken – u. a. weil er wusste, dass sich dort immer auch die Vorband lohnt.
Schon beim ersten Song schnallte man also: Hey, da singt der Typ von …But Alive! Und Marcus Wiebusch machte da weiter, wo seine vorherige Band mit dem starken Album «Hallo Endorphin» geendet hatte: Bei einer Indiemusik, die den Geist von Punk und der Hamburger Schule weiterführt, mit Texten, die politisch, intellektuell, kämpferisch und emotional zugleich sein können.
Songs wie «Hauptsache Glauben» oder der amüsante Konzert-Closer «Mein Skateboard kriegt mein Zahnarzt» sammelten gleich beim ersten, sehr euphorisch aufgenommenen Konzert Dutzende neue Fans ein. Die Debüt-EP «So lang die dicke Frau noch singt, ist die Oper nicht zu Ende» wurde bei der Show von Reimer Bustorrf persönlich am Eingang verteilt – gratis.
Schon vom Debütalbum an beliebt
Kettcar waren eigentlich schon vom Debütalbum an etabliert. Kein Wunder, fast alle aus der Band waren gestandene Musiker der deutschen Indie-Landschaft und versierte, sehr eigene Songwriter, die einige Fans mitbrachten.
«Du und wieviel von deinen Freunden», das im Jahr 2002 kam, zählt heute zum Kanon deutschsprachiger Gitarrenmusik und hatte mit «Landungsbrücken raus» gleich den bis dato erfolgreichsten Song der Band in der Tracklist. Veröffentlicht wurde die Platte auf dem eigens gegründeten Label Grand Hotel van Cleef – weil kein grosses Label sie signen wollte. Schön doof.
«Gute Laune ungerecht verteilt»
In diesem Jahr kam das sechste Studio-Album von Kettcar, was die Band auf der einzigen deutschen Hochseeinsel Helgoland feierte. Am Release-Tag fuhr man mit ein paar Hundert Fans mit der Fähre an den «Lanungsbrücken raus» die Elbe runter und spielte ein paar Stunden später in der örtlichen Turnhalle von Helgoland.
Die Band hatte durchaus Grund zum Feiern: «Gute Laune ungerecht verteilt» landete in Deutschland auf Platz 1 der Albumcharts – was ihnen zum ersten Mal in der Bandgeschichte gelang. In der Schweiz reichte es immerhin für Platz 28 – für eine Band aus Hamburg auch nicht schlecht.
Textlich sind Kettcar auf dem Album in Topform – und hochpolitisch. Man schaue nur auf das ungewöhnliche «Kanye in Bayreuth», in dem Wiebusch mit der so genannten «Cancel Culture» und der Trennung von Kunst und Künstler hadert. Darf man heute noch Kanye West hören? Und durfte man jemals den ollen Antisemiten Wagner geil finden?
Den Chorus kann und sollte man hier einfach mal so stehen lassen: «In einer Bayreuther Sommernacht - den grünen Hügel rauf / Morrissey, Louis C.K. - den grünen Hügel rauf / Am Strassenrand Tausende mit Fackeln in der Faust / Rowling, Picasso - den grünen Hügel rauf.»
Und weiter: «Ein Spalier murmelt leise Worte mit gesenktem Haupt: / "Wir können nicht loslassen - Lauf! Lauf!" / Michael Jackson, Woody Allen - den grünen Hügel rauf / Werk und Autor trennen - und den Hügel rauf.»
Im Januar sind Kettcar noch einmal mit ihrem neuen Album auf Tour und schaffen es endlich auch in die Schweiz. Am 22. Januar spielen sie im Kaufleuten – und haben neben all den genannten Songs, sicher auch die Fan-Lieblinge dabei: «Deiche», «Money Left To Burn», «48 Stunden», «Balu» oder aber «Sommer `89 (Er schnitt Löcher in den Zaun» über einen DDR-Fluchthelfer.
Kettcar spielen am 22. Januar 2025 in Zürich im Kaufleuten. Tickets und weitere Infos gibt’s hier.