Interview: Steiner & Madlaina über die Single «Paradies»

Das letzte Album von Nora Steiner und Madlaina Pollina hiess «Wünsch mir Glück» und verfehlte den Platz 1 der Schweizer Albumcharts nur haarscharf. Wir wünschen Glück, dass die Pole Position mit «Risiko» klappen wird, das am 14. April 2023 kommt. Schon heute gibt’s eine neue Single namens «Paradies» und die B-Seite «Ich blibe und du gahsch». Wir haben ihnen ein paar Fragen dazu gestellt.

Journalist

Nora Steiner und Madlaina Pollina gehören nach Meinung des Autors dieser Zeilen mit zum Besten, was die deutschsprachige Musikwelt dieser Tage zu bieten hat. Was sich so langsam rumzusprechen scheint: «Wünsch mir Glück», das zweite Album von Steiner & Madlaina, landete im Frühjahr 2021 in der Schweiz immerhin auf Platz 2 der Albumcharts, in Deutschland auf der 32. Ihre Live-Shows und Festivalauftritte waren ebenfalls umfeierte Angelegenheiten. Nun bereitet sich die Band auf auf Album Nummer 3 vor, verspricht ihren Fans ein gutes Jahr und hat soeben offiziell verkündet, dass es am 14. April 2023 via Glitterhouse Records kommen wird.

Bei der Gelegenheit sollte man wissen: Das Wort Band trifft die Sache schon ganz gut. Die beiden Sängerinnen, Gitarristinnen und Songwriterinnen aus Zürich sind zwar in allen Belangen federführend, aber sie spielen seit Jahren mit ihrer Gang um Leonardo Guadarrama (Schlagzeug), Nico Sörensen (Bass) und Max Kämmerling (E-Gitarre). Nora und Madlaina schreiben und singen dabei jeweils ihre «eigenen» Songs, die dann als Band ausgearbeitet werden. Auch in Textdingen sind sich beide die ersten Kritikerinnen, helfen sich oft, wenn Zeilen noch nicht richtig sitzen oder feiern sich auch mal, wenn eine lyrisch sofort ins Schwarze getroffen hat. Während ein von Madlaina geschriebener Song das Album eröffnen wird, hat Nora Steiner die erste Single geschrieben, die ab heute zu hören ist. «Paradies» ist eines der politischeren Stücke: Mit bissiger Ironie geht es um Freiheit, Gleichheit, Schwesterlichkeit – und um das Checken der eigenen Privilegien, was man ihrer Meinung nach in diesem so reichen Land oft tun sollte.

Ich liebe die Zeile «In meinem Garten Eden werden niemals Bomben fallen. Willkommen im Paradies. Lass die Korken knallen». Das klingt, gerade im Angesicht der heutigen Weltlage und Kriegen vor den unmittelbaren Grenzen Europas, schon sehr bissig. Was hast du dir dabei gedacht?

Nora Steiner: Irgendwie kam mir dieser Satz zuerst in den Sinn und ich fand ihn auf bittere Weise lustig. Vor allem mit Blick auf unser Leben hier: Man sitzt in der Schweiz, ist jung, hat keine Sorgen. Ich habe eine riesige Dachterrasse, und wir haben da wirklich unfassbar viele Feste gefeiert in diesem Sommer `21. Einmal kam sogar auf dem Dach von dem Nachbarhaus jemand raus und rief: ‘Ich bin ja auch Hippie, aber das geht zu weit!’ Aber zurück zum Song: Der massgebliche Inhalt ist einfach, dass wir Schweizerinnen sind und die letzten Jahre wieder mal auf den Punkt gebracht haben, was wir hier für ein Privileg leben. Dass man dabei auch mal ein schlechtes Gewissen hat, ist eh klar. Und dass uns das nie loslassen wird, ist auch klar.

Der Songtitel, der Garten Eden, die Sünde – am Ende noch Eva. Das führt ja auch alles sehr direkt in die Bibel. Was hat es damit auf sich?

Nora Steiner: Ja, später heisst es: «In meinem Garten Eden wachsen nur Orangenbäume / Keine Sünde weit und breit, Eva isst was ihr gefällt.» Die Zeile war Madlainas Idee. Ich fand sie super, weil sie auch noch mal klarstellt, dass es nicht religiös gemeint ist. Wir haben den Song ja schon mal live und gespielt und nach der Show fragte mich jemand, warum wir denn jetzt christliche Lieder singen. Ich war völlig perplex und meinte nur: «Hä? Man merkt doch, dass das total ironisch und sarkastisch gemeint ist.»

Das würde ich auch sagen. Und ich bin zumindest auf dem Papier noch Kathole … Mir fällt bei «Paradies» aber auch bei den anderen Songs, die ich schon hören durfte, auf, dass der Sound sehr, wie soll ich sagen, spielfreudig klingt. Nicht introvertiert folkig, sondern eher so: Auf die Bühnen damit! Könnt ihr mir ein wenig was zum Aufnahmeprozess von «Risiko» erzählen?

Madlaina: Wir waren im «Black Box Studio» in der Normandie und haben da gewohnt und gearbeitet. Dort wurden alle Takes live eingespielt und von Giuliano Sulzberger produziert. Die Basic Tracks haben wir dort aufgenommen. Drums, Bass, Gitarre, das Klavier auch. Da stand ein wunderschönes Klavier, das wir benutzen durften. Wir hatten die Songs vorher schon so vorbereitet, dass wir sie in neun Tagen – oder eigentlich acht, weil einer für den Aufbau drauf ging – alles einspielen konnten. Ich muss sagen: Die Aufnahmen zählen zu den besten Zeiten, die wir als Band erlebt haben. Wir haben alle in einem Raum geschlafen und Giuliano hat einen perfekten Job gemacht, vermutlich auch weil er ein guter Freund von uns ist und ebenfalls in unserem Alter.

Das Album soll im Frühjahr kommen: Warum habt ihr es «Risiko» genannt?

Madlaina: Also mir ist etwas aufgefallen, was mich persönlich sehr begeistert. Geht vermutlich nur mir so und vielen wird es vielleicht egal sein, aber auf dem ersten Album gibt es eine Songzeile, die heisst: «Glück ist immer ein Risiko.» Das zweite Album hiess «Wünsch mir Glück». Deshalb macht es doch total Sinn, dass wir das dritte «Risiko» nennen. Ausserdem passt das Wort zu den Liebesliedern ebenso wie zu den politischeren Stücken. Es passt dazu, dass man überhaupt beschlossen hat, in diesen Zeiten ein Album zu veröffentlichen. Und es passt überhaupt, wenn man wie wir gerne lebt, Dinge ausprobiert und Spass hat.

Nora: Ich weiss noch, wie Madlaina mir geschrieben hat. Irgendwie so was wie: «Ich sitze seit zwei Stunden in der Bar und grüble über den Albumtitel – entweder bin ich ein wenig besoffen und deswegen finde ich ihn gut, oder er ist wirklich gut: ‘Risiko’.» Mir hat die Idee gleich gefallen. Wir haben sehr lange überlegt, wie wir es nennen. Ein Song heisst «Besser wird’s nicht» und das wäre als Titel natürlich auch irgendwie lustig gewesen. Aber wir sind eh Fans von Ein-Wort-Titeln und irgendwie passte «Risiko» für mich auch, weil wir auf diesem Album schon irgendwie, nun ja, weniger über Inszenierung nachgedacht haben und einige Lieder für unsere Verhältnis sehr romantisch geworden sind.

Ihr bleibt ausserdem eurer Tradition treu und beendet das Album wieder mit einem auf Schwyzerdütsch gesungenen Lied, das schon heute als B-Seite der «Paradies»-Single rauskommt. «Ich blibe und du gahsch» heißt es. Madlaina, du singst es und hast es geschrieben. Worum geht es in dem Stück?

Madlaina: Es geht ums Abschiednehmen. Aber nicht von der Liebe. Vom Leben, also von einer Person, die gestorben ist. Da sind wir wieder bei der Religion: Wenn man nicht religiös ist, ist es viel schwieriger, damit umzugehen. Man hat keine einfachen Antworten auf seine Fragen. Man ist erstmal aufgeschmissen. Mir haben dann alle gesagt: ‚Such dir was, das für dich stimmt.‘ Erst fand ich das nicht wirklich hilfreich, aber dann kam ich doch auf ein Bild, das mir Halt gegeben hat. Man sagt ja immer, dass die verstorbene Person ‚von uns gegangen’ ist und so. Ich habe das für mich umgedreht. Denn die Person, die stirbt, die bleibt ja für immer so, wie sie war am Ende. Wir sind also die, die weitergehen. Ich weiß nicht wieso, aber dieser Gedanke hat mir den Trost gegeben, den ich brauchte.

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