Pubblicato il 01. dicembre 2023

Auf einmal hören wir alle Echt

Eine dreiteilige Dokumentation über die Band Echt gibt tolle Einblicke in eine besondere Karriere Ende der 90er. Der ehemalige Frontmann Kim Frank führte dabei Regie und wertete über 200 Stunden von der Band gefilmtes Material aus. Und auf einmal merkt man: Verdammt, die hatten tolle Songs! Den kompletten Film kann man auch bei uns in der Schweiz for free im Netz sehen.

Journalist
1985

Seien wir ehrlich: Echt scheisse zu finden, gehörte für alle zum guten Ton, die Ende der 90er schon älter als 14 Jahre waren. Die fünf Freunde aus Flensburg, deren Schülerband auf einmal die Albumcharts aufmischte, waren schon mit ihrem Debütalbum 1998 überpräsent. Die deutsche Jugendzeitung «Bravo» feierte sie permanent, der Musiksender «VIVA» ebenso und die fünf Teenager sassen ständig in diversen TV-Shows. Dabei sprachen sie sogar sehr ausführlich über ihr erstes Mal, das einige der damals gerade mal 16jährigen wirklich erst kürzlich oder noch gar nicht erlebt hatten. Ihre Singles «Alles wird sich ändern» und «Wir haben‘s es getan» sprachen vor allem junge Mädchen an – Sänger und Frontmann Kim Frank konnte sich manchmal kaum vor den aufgekratzten, kreischenden, weiblichen Fans retten.

Alles Echt

Die Musik spielten die Fünf dabei schon immer selbst – das Songschreiben überliessen sie jedoch Profis. Kim Frank sagt dazu: «Wir haben das immer allen gesagt und hatten da nie ein Problem mit. Wir fanden unsere eigenen Lieder einfach noch nicht so gut, dass wir das Gefühl hatten, sie teilen zu können.» Trotzdem hielt sich das hartnäckige Gerücht, Echt seien irgendwie alles andere als echt. Eine Fake-Band. Todsicher gecastet. Von einer grossen Plattenfirma ausgedacht. Dabei war das Gegenteil der Fall: Ihr Manager war ein älterer Schulkamerad, der sie früh unter die Fittiche nahm und ihnen später einen Label-Deal besorgte, der der Band viele Freiheiten liess. Als Fan von Gitarrenmusik gab es damals trotzdem nur eine Haltung, die man sich traute: Kiddie-Musik sei das! Und natürlich scheisse zu finden. Was man dabei übersah, aber schon insgeheim spürte: Die Songs waren immer verdammt gut! Vor allem die vom zweiten Album «Freischwimmer» (1999), auf dem auch dieser Hit zu finden ist:

Nach dem dritten Album war Schluss – mit der Musik

Echt leisteten sich in ihrer jugendlichen Leichtsinnigkeit den ein oder anderen kleinen Skandal und hatten oft damit zu kämpfen, dass sich die Klatschpresse auf den süssen Frontmann Kim Frank stürzte. Der dann auch noch als 17jähriger die coolste VIVA-Moderatorin datete – die damals 25 Jahre alt war. Auch ein Interview mit Kim Frank im Jahr 2001, kurz nach dem 11. September, in der «Harald Schmidt Show» verlief eher unglücklich. Kim, der wie seine Bandkollegen mit 15 von der Schule abgegangen war, um sich der Musikkarriere zu widmen, tat so, als würde er weder die Taliban kennen, noch wählen gehen. Die Boulevard-Zeitung «BILD» ätzte danach: «Wie dumm darf ein Popstar sein?» Über diese Aufregung ging ihr drittes Album leider ein wenig unter: Dabei hatten Echt auf «Rekorder» zum ersten Mal alles selbst geschrieben. Wie gute diese Lieder waren, zeigt der letzte Song ihres Oeuvres: das schwermütige, mit Streichern verzierte «Stehengeblieben», das vor allem von Gitarrist Kai Fischer geschrieben wurde. Er kämpfte schon damals mit depressiven Phasen, schrieb oft sehr melancholische Lieder, in den sich Sänger Kim Frank nicht immer wiederfand. Noch bei den Aufnahmen zu einem vierten Album beschlossen Echt, die Band aufzulösen. Nicht im Streit, eher resigniert, aber weiterhin in Freundschaft.

(K)ein richtiges Comeback

Dass wir auf einmal alle wieder gerne Echt hören und so ausführlich über eine Band schreiben, die erste als Teenie-Phänomen geschmäht und dann, nach und nach, immer mehr geliebt wurde, liegt nicht an einem musikalischen Comeback, sondern an einer neuen Doku-Serie. Dazu muss man wissen: Kim Frank wurde nach seiner Echt-Zeit Musikvideo-Regisseur (u. a. für Udo Lindenberg, Elif, Allie Neumann, Mark Forster und sogar schon mit 16 das erste Mal für Echt) und drehte den tollen Spielfilm «Wach» mit Alli Neumann. Er bewahrte das von der Band und einem engen Vertrauten gefilmte Videomaterial aus ihren aktiven Jahren – über 200 Stunden, mit teilweise sehr intimen Szenen. Da die ehemaligen Bandmitglieder befreundet blieben und sich mindestens einmal im Jahr trafen, beschlossen sie, dass Kim die Geschichte von Echt noch einmal erzählen solle – als Regisseur und als Erzähler aus dem Off. Das tut er nun für den öffentlich-rechtlichen deutschen Sender «SWR» in der dreiteiligen Reihe «Echt – Unsere Jugend».

Eine Geschichte über Musik, Freundschaft und Jugend

Diese drei gut einstündigen Filme ergeben eine der interessantesten Musik-Dokus des Jahres. Wobei «Echt – Unsere Jugend» ebenso eine Coming-of-Age-Story und eine Hymne auf die Freundschaft ist. Wir sehen, wie Echt euphorisch in ihre Karriere starten, wie sie mit den Tücken des damaligen Business kämpfen, wie es sie kränkt, dass die coolen Musikmedien sie nicht mögen. Aber wir sehen auch, wie sie zusammen einen Heidenspass haben und ihren Traum leben – zum Beispiel bei ihrem Tourstopp in Zürich, wo die Echt-Fans das Hotel belagern und Kim ein Ständchen singen. Wir erfahren endlich, warum Echt damals jeden Scheiss im Fernsehen mitgemacht haben und wir sehen, wie Gitarrist Kai schon früh mit seinen dunklen Phasen kämpfte. Am Ende des dritten Teils stellen die erwachsenen Mitglieder dann eine Einzel-Interview-Situation von damals nach – und wenn man sieht, wie liebevoll diese Männer um die 40 hier über ihre Freunde sprechen, kann es schon mal passieren, dass euch jemand zum Schluss diese Frage stellt:

«Echt – Unsere Jugend» kann man hier in der Mediathek des «SWR» anschauen.

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