Von BTS bis (G)I-DLE: 5 subversive Momente im K-Pop
Südkoreanische Popmusik ist ein streng reguliertes Business, entstanden in einer extrem leistungsorientierten, konservativen Gesellschaft. Trotzdem gibt es immer wieder Songs, Aktionen, Statements, die all das unterwandern oder manchmal gar herausfordern. Wir haben hier fünf dieser subversiven Momente versammelt.
1. (G)I-DLE wollen nicht dein «Wife» sein
Dieser Song brachte uns auf die Idee für den Artikel: «Wife» wurde vor allem unter den koreanischen und asiatischen Fans heiss diskutiert. Nicht nur, weil er ein absoluter Banger ist, sondern auch weil er ein feministisches Statement ist. Die fünf Idols von (G)I-DLE kritisieren darin das Frauenbild in der koreanischen Gesellschaft.
Für viele koreanische Männer haben die Ehefrauen vor allem süss auszusehen. Sie sollen demütig, brav, treu, devot sein – gute Hausfrauen, die das Essen auf dem Tisch haben, wenn der Mann von der Arbeit kommt. (G)I-DLE torpedieren dieses Szenario und machen sicjh darüber lustig: Sie wollen für ihn kochen, aber die Suppe wird «Coco Loco» schmecken – also verrückt.
Ausserdem benutzen sie viele überspitzte Essenszitate, beschreiben zum Beispiel wie dem Ehemann das Wasser im Munde zusammenlaufen wird. Oder sie benutzen eine koreanische Formulierung, die mit Kuchenessen, aber mit Sex zu tun haben kann.
Im Video lächeln alle fünf Idols lieblich und falsch in die Kamera und bewegen den Mund die meiste Zeit nicht. Ausser an der Stelle, wo sie dieses veraltete Beziehungsmodel verneinen und sagen: «But I don't wanna wife, wife, wife, wife!»
Dass K-Pop-Bands so emanzipiert auftreten und dabei dermassen gute Laune haben, wurde von vielen Koreanern als Affront gesehen.
2. BTS sagen «N.O.» zum koreanischen Leistungsdruck auf junge Menschen
Die englischsprachigen Singles, mit denen BTS den amerikanischen Markt knackten, mögen Feelgood-Tunes sein, aber die K-Pop-Superstars wurden in ihren ersten Jahren vor allem geschätzt, weil sie durchaus sozialkritische Songs schrieben.
Ihr Song «N.O.» aus dem Jahr 2013 ist ein starkes Statement zu einem der grössten Probleme in der koreanischen Gesellschaft. Das Land hat eine der höchsten Suizid-Raten der Welt in den jüngeren Altersgruppen. Oft zerbrechen junge Menschen am Druck des Bildungssystem: vor allem die höllisch schweren Uni-Aufnahmeprüfungen im Herbst sind dabei ein entscheidender Faktor.
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BTS singen in diesem Lied im Chorus zum Beispiel auf Koreanisch: «In Seoul zur SKY, wären deine Eltern dann glücklich?» Das «SKY» ist eine gängige Abkürzung für die drei Top-Unis in Seoul: Seoul National University, Korea University und Yonsei University.»
BTS finden deutliche Worte gegen diesen Druck. So rappt Sugar einmal: «Wer machte uns zu blossen Lernmaschinen? Wenn man nicht Nummer 1 wird, ist man ein Versager.» Ihre Ansage an ihre jungen Fans: Ein lautes «No!» zu rufen. Auch das Video zeichnet das apokalyptische Bild einer uniformierten Jugend.
3. Das Idol Rain spielt die Hauptrolle in «I’m A Cyborg But That’s OK»
Wer die Abgründe der koreanischen Gesellschaft ausgeleuchtet sehen will, war schon immer beim Film an der richtigen Adresse. Viele südkoreanische Regisseure, die in den letzten Jahrzehnten in Europa und Amerika grossen Anklang fanden, erzählen dunkle, atmosphärische, brutale, bisweilen perverse Geschichten.
Einer dieser Regisseure ist Park Chan-wook, dessen Film «Oldboy» berühmt berüchtigt ist. In «I’m A Cyborg But That’s OK» aus dem Jahr 2006 erzählt er eine Lovestory, die in einer Psychiatrie spielt. Mentale Gesundheit war damals wie heute ein Tabuthema – in der koreanischen Gesellschaft, aber auch und vor allem in der K-Pop-Industrie.
Dass die männliche Hauptrolle von Rain – einem damals extrem erfolgreichen K-Pop-Idol – gespielt wird, die auch Patient ist, wurde von vielen zurecht als «bold move» gewertet. Und hat die Chefs der Produktionsfirma, bei der Rain angestellt war, sicher nur so halb erfreut …
4. Hwasa sagt: «I Love My Body»
Eines der grössten Probleme im K-Pop ist das strikte, oft unrealistische Schönheitsideal, dem weibliche Idols entsprechen sollen. In den letzten Jahren gab es viele unschöne Gerüchte und Geschichten: Produktionsfirmen, die ihren Idols Diäten verordneten oder gar zu Schönheitsoperationen drängten.
Aber es gibt auch Fans die weibliche Idols bodyshamen und beleidigen. Die sonst bei der Band Mamamoo singende, aber auch solo erfolgreiche Hwasa kann ein Lied davon singen – und tut es auch. Sie wurde immer wieder niedergemacht, weil sie nicht dem schlanken, niedlichen, puppenhaften Ideal koreanischer Frauen entspricht.
Ihre Antwort? Eine selbstbewusste, betont sexy angelegte Selbstinszenierung und Singles, die sagen, wie es ist: «I Love My Body». Und wer das nicht tut, halte bitte die Schnauze …
5. Hyuna und Dawn spielen Beziehungs-«Ping Pong» – und alle sollen es sehen
Einer der besten und verrücktesten K-Pop-Hits der letzten Jahre kam aus dem Hause P Nation – dem Label von Mr. «Gangnam Style» Psy. Aber «Ping Pong» von Hyuna und Dawn ist nicht nur wegen seines crazy Videos und dem quietschig-genialen Songwriting spannend.
Die beiden sind nämlich seit Jahren ein Liebespaar und wurden wegen dieser Beziehung von ihrer ehemaligen Produktionsfirma vor die Tür gesetzt. Dazu muss man wissen: ALLE K-Pop-Idols sind NATÜRLICH Single. Eine Aussage, die genauso wahr ist, wie die Behauptung, dass ALLE männlichen Profifussballer NATÜRLICH heterosexuell sind.
Dass zwei K-Pop-Stars als Paar quasi das «Crazy In Love» Koreas performen und dabei im Song und im Video gar andeuten, dass ihre Beziehung eine offene sein könnte (im doppelten Wortsinn), ist schon fast ein fröhlich zelebrierter Skandal. Leider gibt’s kein Happy-End: die beiden sind heute nicht mehr zusammen.