«Paul» vs. Sido: Der Kampf mit dem neuen Album

Paul Würdig alias Sido hatte in den letzten Monaten keine gute Zeit. Sein neues Album «Paul» klingt wie eine vertonte Therapie. Es geht um Drogen den fehlenden Vater und den Kampf mit der Kunstfigur.

Journalist

Selten konnte man einem Popstar so intensiv dabei zuschauen, ins Reine zu kommen. Paul Würdig, besser bekannt als Sido, hat sein Privatleben im letzten Jahr amtlich vor die Wand gefahren. Die Ehe scheiterte, er zog in eine Junggesellenbude, soff, nahm Kokain in rauen Mengen, feierte bis in die Morgenstunden und nahm sich immer wieder Frauen nach Hause – meist jüngere. Außerdem saß er ein wenig zu oft in bekifften Twitch-Streams oder YouTube-Shows rum und sagte hin und wieder Verschwörungs-Dinge, die er sich vermutlich im Internet eingefangen hatte. Was hier ein wenig wie üble Nachrede klingt, ist nur eine kleine Zusammenfassung jener Dinge, die Sido in den letzten Wochen in diversen Interviews erzählt hat. Und die er auf seinem neuen Album «Paul» erzählt, das diesen Freitag erscheint.

Im dunklen Herz des Albums steckt dabei die Auseinandersetzung mit der eigenen Kunstfigur. In einem Interview mit Ex-MTV-Moderator und Musikjournalist Markus Kavka sagt er, die Grenzen zwischen Sido und Paul Würdig verwischen bei ihm ständig. Erstaunlich ist dabei aber, dass es eher Paul Würdig ist, der Sido sabotiert. Einmal sagt Sido in diesem Interview: «Die Probleme sind eher im Privatleben gewesen.» Da sei es auch zu den Sessions und Interviews gekommen, bei denen er bei einigen Ansichten im Drogenfieber falsch abgebogen war – und von denen er sich später distanziert hatte. Aber Konzerte und Festivalauftritte hätten funktioniert, weil: «Sido hat mit Drogen gar nicht so viel zu tun. Der kommt klar. Der nimmt keine Drogen, der kifft nur gerne. Aber der brauch halt nicht Drogen. Der ist immer da, der ist pünktlich, der ist ne Maschine. Der funktioniert immer. Der hat auch keine Probleme. Auch im Kopp nicht. Dem geht’s jut.» An dieser Stelle fragt Markus Kavka: «Also hat Paul versucht, Sido plattzumachen?» Genauso sei es gewesen, sagt Sido. «Ich habe durch ihn richtig angefangen, meinen Job zu hassen.»

Das Album «Paul» beginnt mit einer Art Hörspiel: Wir lauschen in eine Gruppentherapie, in der sich Paul gerade vorstellt. Sido war tatsächlich in einer Klinik – und verdankt diesen vernünftigen Schritt vor allem seiner Ex-Frau und seinem Kumpel Kool Savas. Der Wendepunkt kam nach einem Tiefpunkt: Sido besuchte nach durchzechter Nacht seine Kinder in seinem alten Haus und schlief einfach völlig fertig auf dem Sofa ein. Seine Frau Charlotte habe ihm damals gesagt, er brauche professionelle Hilfe. Sie sei es auch gewesen, die für ihn in der Klinik angerufen hat, in die Sido dann später eincheckte, um einen Entzug und eine Gruppentherapie zu machen. «Du wirst sterben, wenn du das nicht machst», habe sie zu ihm gesagt. Ungefähr zur gleichen Zeit hatte auch sein aller Freund Kool Savas eine lange Sprachnachricht geschickt, in der er sich um Sido sorgte. Dessen Abstürze waren «Talk Of The Town».

In der Partyzeit zeigte sich auch eines der Themen, die sein Leben mehr prägten, als ihm lieb oder bewusst war: die Abwesenheit seines Vaters, der die Familie verließ, als Sido noch ein Kind war. Ausgerechnet weil Sido ständig Frauen mit nach Hause brachte, bei denen er das Gefühl hatte, sie sähen eine Vaterfigur in ihm, bemerkte er seine eigenen «Daddy Issues». Dieses Thema steckt vor allem im Song «Versager». Dem «Spiegel» sagte Sido mit Blick auf die eigenen Kinder: «Vier Söhne, viermal verkackt. Musst du auch erst mal schaffen.»

Nun ist Sido aber anscheinend wieder auf Kurs und therapiert in diversen Interviews weiter. Die mache er aber nur sehr ausgewählt. «Die anderen müssen dann halt abschreiben. Das ist zermürbend, das alles noch mal auszupacken. Nach den ersten Interviews habe ich das Handy für zwei Tage ausgemacht», sagte er Markus Kavka. Und während seine Fans die Offenheit feiern, finden einige Kritiker:innen, das alles sei ja nur ein perfekter Promo-Move für das Album «Paul». Am Ende des Albums dreht sich übrigens auch die Stimmung noch einmal ins Positive und Sido endet mit zwei Songs, die ein wenig optimistischer in die Zukunft blicken.

2023 hat man gleich zweimal die Möglichkeit, Sido live in der Schweiz zu erleben. Am 4. August spielt er im Rahmen des Festivals Stars in Town in Schaffhausen auf dem Herrenacker und 28. Oktober spielt er im The Hall in Zürich.

Tu aimes cet article?