Publié le 02. décembre 2022

Neues Album: Haftbefehl geht es (wieder) gut

Nach einem öffentlichen Beinahe-Zusammenbruch im Sommer hat sich Haftbefehl zurückgezogen – und mal eben ein starkes Album samt Kurzfilm aufgenommen. Auf «Mainpark Baby» finden sich Gäste wie Paula Hartmann, OG Keemo, Azad, Kool Savas u. a.

Journalist
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Es war der Aufreger des Deutschrap-Sommers und Startpunkt einer Diskussion über Rap und Mental Health: Im August musste Haftbefehl, dieser Schrank von einem Mann, eine Show in Mannheim frühzeitig beenden und die Tour dazu gleich mit. Auf kurzen Clips, die bei Insta und TikTok viral gingen, sah man: Dem Mann geht’s nicht gut. Im Posting am Tag drauf gab er offen zu: «Mein Körper braucht eine Pause. Eine Pause, von der ich noch nicht weiss wie lange sie gehen wird.»

Die Mitte zwischen den Extremen

Nun, besonders lange dauerte die Pause anscheinend nicht. Die Promotion-Biografie zum neuen Album «Mainpark Baby», das am Freitag erscheint, erklärt diese Zeit so: «Er hat sich zurückgezogen, es ein bisschen ruhiger angehen lassen und er lässt uns in seiner Kunst an diesem Weg teilhaben. Was er zu sagen hat, steckt in seiner Musik, denn Haftbefehl geht es nicht um Aussenwirkung, sondern um Wahrhaftigkeit.» Was wohl auch bedeutet: Auf Interviews braucht man wohl nicht hoffen. Aber man erfährt ein paar Dinge aus dem Pressetext. «Ich wollte vor allem ein richtig geiles Hip-Hop-Album machen», sagt Aykut Anhan aka Haftbefehl. «Das weisse und das schwarze Album hatten einen roten Faden, sie gehörten untrennbar zusammen. Das weisse stand für das Licht, den Tag, die Party, das schwarze für die Düsternis und die Abgründe danach. Auf ‚Mainpark Baby‘ wollte ich die Mitte zwischen diesen beiden Extremen ausloten.»

Sohn Noah auf dem Cover

Das ist ihm gelungen: Wieder produziert von Bazzazian, erzählt Haftbefehl aus der Offenbacher Siedlung, die seine Kindheit, seine Familie und sein Leben prägte. Das zeigt sich auch im Cover-Motiv von Che-had Abdallah: Der junge in Haftbefehls Armen ist sein eigener Sohn Noah. In den 13 wie immer hart getexteten Tracks erzählt er von den Hoffnungen, Träumen und Dämonen der Kinder und Kindeskinder der ersten Einwanderergeneration. Und spricht dabei, wie man es von ihm kennt, Klartext. So heisst es, gleich im ersten Song «Geruch von Koks»: «Natürlich bin ich Deutsch / War mal auf den Adler so stolz / Wir wurden auf den Strassen verfolgt». Und dadurch: «Mit den Jahren enttäuscht.» Neue Worte für das, was Haftbefehl schon 2015 in «069» rappte: «Fick deine Integration!»

Paula Hartmann eröffnet das Album

Erstaunlich an «Mainpark Baby» ist auch die namhafte Feature-Gästeliste und die Generosität, mit der Haftbefehl das Mikro an andere überreicht. So eröffnet nicht seine Stimme, sondern die von Paula Hartmann das Album. «Ich bin riesengrosser Paula-Hartmann-Fan. Mit ihrem Song ‚Truman Show Boot‘ hat sie mich komplett abgeholt.» Also habe er sie angerufen, kurz danach ging es ins Studio. Klar, wer sagt denn auch schon ein Hafti-Feature ab? Fans der beiden, wissen natürlich schon eine Weile, dass man sich schätzt. Legendär bis heute: Die Insta-Story, in der Haftbefehl nachts über die Autobahn rauscht, «Truman Show Boot» laut aufdreht und mitsingt.

Rap-Elite auf der Gästeliste

Weitere Gäste sind sei Azzlackz-Labelnachwuchs-Star Soufian, OG Keemo, Azad, Kool Savas, Ufo 361 und Kalim und Nimo. Zwar hatte Haftbefehl schon immer ein gutes Händchen für namhafte Feature-Gäste, aber so geballt gab es das auf seinen Alben selten. Begleitet wurde die Ankündigung des Albums ausserdem von einem fünfteiligen Kurzfilm, den wir auf diesen Artikelk «verteilt» haben. Der stammt von Chehad Abdallah, der den Lebensweg eines repräsentativen Mainpark-Babys vom Fünfjährigen bis zum 45-jährigen, ausgebrannten Mann erzählt. Wer eine Klammer zum Konzertabbruch im August sucht, findet sie vielleicht im Song «Haft betritt den Raum», in dem er eine hochgekokste, notgeile, chauvinistische, selbstbesoffene Erzählposition einnimmt. Vielleicht soll dieser Song also sagen: So (geil) fühlt man sich, wenn einem das eigene Standing, die Groupie-Verehrung oder die Drogen zu Kopf steigen.

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