Veröffentlicht am 17. Januar 2024

WTF, Berlin? Die wildesten Newcomer:innen aus der Deutschen Hauptstadt

Zürich wird oft als Koks-Hauptstadt bezeichnet, während man in Berlin eher einen bunten Strauss an Drogen konsumiert. Viele junge Acts spielen gerade brutal-ironisch mit dem Image des exzessiven Feierns, F***ens und Druff-Seins, servieren ihre Lines auf Housebeats und Hyperpop und sind damit im deutschsprachigen Raum sehr erfolgreich. Wir stellen die grellsten von ihnen vor.

Journalist
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Ikkimel setzt auf «Keta und Krawall»

Die Berliner Rapperin Ikkimel hatte im vergangenen Herbst einen kleinen TikTok-Hype, der die einen begeisterte und die anderen verstörte. Ihr Song «Keta und Krawall» setzte voll auf Drogenverherrlichung, Exzess, Eskapismus, Berlin-Party-Baller-Vibes und Sexualisierung. Musikalisch zwischen Rave und Hyperpop zieht, äh, singt sie Lines wie: «Ich bin in Friedrichshain und baller' mir ein Bierchen rein / Fotzenpower im Jogger, Ikkimel der Staubsauger / Nächster Halt: Damenklo, Dickerchen, was glotzt du so? / Ich leg' sie überlang, dafür steh' ich mit mei'm Namen.»

Dabei hat man es natürlich mit einer Kunstfigur zu tun, was anscheinend noch nicht alle verstanden haben. In ihre YouTube-Bio schreibt sie: «Ikkimel ist die überspitzte Personifizierung des schlechten Umgangs, vor dem die römisch-katholische Kirche immer gewarnt haben.» Amen.

Dem Tiefbasskommando geht es «super, ist nur genug Stoff am Start»

Hinter dem Berliner Tiefbasskommando stehen Rapperin $HOKI und ihre Kollegen Eisberg, Double G, Don Juan und MC Kneipenkrieger. Die trashige aber hart austeilende Produktion besorgt ihnen Retado. Die sechs sind schon eine ganze Weile im gut informierten Rap-Untergrund aktiv und veröffentlichten im Herbst ihr viertes Album – gefolgt von einer ausverkauften Tour durch recht grosse Clubs und Hallen.

Auf «Retox» regiert der Stumpfsinn, das Derbe, das Rohe – aber zwischen der Übersteigerung aller Sex- und Drogen-Klischees finden sich auch subkulturelle Referenzen und immer wieder Gesellschaftskritik. Damit erinnern sie manchmal an die Anfänge von K.I.Z, die ja auch angetreten sind, Eltern zu schocken. Das geht mit Rock und Punk ja schon lange nicht mehr. In diesem Video, das selbst verpixelt «not safe for work» (NSFW) ist, rappt Double G zum Beispiel: «Hack’ das Koki bis die Karte knackt / Schnell aufs Klo fast eingekackt». Später konstatiert Eisberg zufrieden: «Mir geht es super, ist nur genug Stoff am Start / Scheiss auf dich (ey!, ey!) Steck dir deine Props in Arsch.»

Domiziana hat «Kristalle auf den Zähn'n, auf den Lippen und der Zunge»

Aus dem Untergrund in die Mainstream-Gefilde: Domiziana ist eine der Künstlerinnen, die mit dem Image der Berliner Fetisch-, Feier- und Drogen-Fee die höheren Charts-Sphären erreicht hat. Die Sped-up-Version ihrer ersten Single «Ohne Benzin» schaffte es in Deutschland gar auf die Eins. Obwohl sie nur ein paar Songs draussen hat, ist sie für viele inzwischen schon eine Stil-Ikone, was zum einen an ihren arty Videos und ihrer Musik liegt, zum anderen aber auch an ihrer TikTok- und Instagram-Präsenz.

Musikalisch geht es bei Domiziana (die übrigens wirklich diesen Vornamen trägt) ein wenig poetischer zu: Ihr weicher, gehauchter, eisig-schöner Gesang verkauft den MDMA-Konsum und die Wirkung davon dann eher so: «Kristalle auf den Zähn'n, auf den Lippen und der Zunge / Du folgst dem weissen Hasen in den Tunnel bis nach unten.» Diese Lines stammen aus dem Song «S.O.S.», für den sie sogar Ex-Blümchen und inoffizielle Hyperop-Pionierin Jasmin Wagner gewinnen konnte.

Whitey en vogue geht «nicht aus Langeweile steil, sondern weil's mein Job ist»

Der ebenfalls in Berlin lebende und steilgehende Whitey en vogue (dessen Künstlername sich auf Kylie Minogue reimen soll, als deren Deutschrap-Pendant er sich sieht) hat uns mit seiner aktuellen Single zu diesem Beitrag inspiriert. In seinem Track mit Ikkimel amüsieren sich die beiden über den armen Kollegen, der Montag schon im Zoom-Call sitzt, während die beiden noch feiern. Musikalisch setzt er dabei voll auf Housebeats – und das schon eine ganze Weile länger als so mancher Act, der heute damit in den Charts ist.

$HOKI «will ein Vorspiel, du sollst gleiten»

Die einzige Frau des Tiefbasskommando ist vielleicht eine der grellsten Vertreterinnen in dieser illustren Runde. Das hippe Berliner Musikmagazin «DIFFUS» schrieb sehr treffend über die Berlinerin: «$HOKI ist der feuchte Albtraum aller Macker-Männer». Mit Zöpfen, Latex-Fetisch-Maske und Domina-Stiefeln singt sie zum Beispiel davon, wie ihr die Sklaven zu Füssen liegen und ihr die Lines legen dürfen.

Das hypersexualisierte ist bei $HOKI Programm –und zwar im Kern zutiefst selbstermächtigt und feministisch. Ihre Single «Filme» ist zwar durch und durch pornös, aber im Grunde auch ein Liebeslied und eine Hymne auf guten Sex, bei dem alle Beteiligten auf ihre Kosten kommen. Oder in ihren Worten: «Will kein'n Quickie, will 'ne Reise (Yes) / Will es mehrmals mit dir treiben / Will, dass wir uns nicht beeil'n (Ah-ah) / Will hier heute Nacht verweil'n (Aha) / Will dir meine Wünsche zeigen (Mhh) / Erzähl ma', was sind deine? (Was?) / Du bist ein guter Fick / Ich mach' daraus einen Hit.» Sind halt doch Romantiker:innen, diese wild feiernden Menschen aus Berlin …

Ski Aggu rät «nicht nachmachen!!»

Mit dem erfolgreichsten all dieser Acts beschliessen wir diese Liste: Spätestens seit Ski Aggu mit dem Niederländer Joost Klein und dem Kult-Komiker Otto Waalkes den «Friesenjung» veröffentlichte und damit in Deutschland auf Platz 1 der Singles-Charts rauschte (in der Schweiz reichte es «nur» für Platz 7), kennt man den jungen Mann mit Vokuhila-Frisur und Skibrille. Seine oft sehr lustigen Videos und TikToks zeigten schon früh das vermeintliche wilde Party-Leben in Berlin – oder eine ironisierte Version davon.

Mit zwei Rappern der mit ihm befreundeten BHZ-Crew veröffentlichte Aggu den Song «nicht nachmachen» und teilte im Video einige Bilder aus seinem wilden Tourleben – das ihn auch nach Zürich führte. In Berlin wiederum feiert er so: «I-ich mach den Kristall klein auf meiner goldnen Plaque / Brüder gehen dumm, trinke Woddi pur auf ex / Kickdown, schwarze Piste, fahre Ski durch Berlin-West.»

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