Veröffentlicht am 18. Februar 2024

Was hat «Forever Young» mit dem Kalten Krieg zu tun?

Ein Song, der einfach nie alt wird. Doch seine Interpretation ist finsterer, als manche 80s Hit-Party vermuten lässt.

Journalist
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Am 23. September 1984 strahlte der britische Sender BBC Two zum ersten Mal den Fernsehfilm «Threads» aus – und traumatisierte damit eine ganze Generation vor dem TV. In «Threads» wird auf sehr realistische Weise ein atomarer Angriff auf Nordengland sowie die Folgen des nuklearen Winters gezeigt: Millionen Tote, gesellschaftlicher Kollaps, entstellte Babys. Ein unaufgeregter Horrorfilm, inszeniert so trocken wie ein drei Jahre altes Biscuit.

https://www.youtube.com/@HDRT

Zwanzig Tage vor der Fernsehpremiere von «Threads» veröffentlichte das deutsche Synthie-Pop-Trio Alphaville seine dritte Single, «Forever Young». Ein Song, der weltweit die Charts eroberte, die Band wahrhaftig unsterblich machte und bis heute auf jeder 80s Party den romantischen Teil des Abends einleitet. Dabei hat «Forever Young» sehr viel mehr mit «Threads» gemeinsam, als Knutschen auf dem Dancefloor.

«Forever Young» handelt nicht davon, für immer jung zu bleiben. Sondern zu sterben, bevor man alt wird. 1984 hatte sich der Kalte Krieg erneut aufgeheizt. Die Sowjetunion bunkerte so viele Atomraketen wie noch nie zuvor in ihrer Geschichte. Das Szenario von einer Eskalation war wieder allgegenwärtig – und wurde auch künstlerisch verarbeitet. Beispielsweise von Marian Gold, Bernhard Lloyd und Frank Mertens.

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Die drei Münsteraner hatten drei Jahre zuvor eine Band namens Forever Young gegründet und wenig später einen gleichnamigen Song komponiert. Mit billigen Synthesizern und noch billigeren Produktionstricks – Marian sang den Text im Treppenhaus ein, weil es dort den gewünschten Hall gab – nahmen die drei Männer ein Demo auf.

Karel Gott, Jay Z und das Gipfeltreffen des Deutschpunks

Umbenannt in Alphaville und mit einem Plattenvertrag ausgestattet, landete die Band mit «Big in Japan» einen ersten Erfolg. Der androgyne Look und geschmeidige Sound erinnerten an englische Acts wie Duran Duran, ABC oder The Human League und lieferten damit beste Voraussetzungen für globalen Erfolg. Nach dem zweiten Hit «Sounds Like a Melody» war es Zeit für «Forever Young». Zuvor musste die Band jedoch die ursprünglich noch martialischeren Lyrics abschwächen.

Dennoch ist «Forever Young» ein Aufruf zum Hedonismus zu Zeiten der Vernichtungsparanoia geblieben, ein Tanzen unter dem Atompilz statt unter der Discokugel. Wie der Kalte Krieg (zum Glück) kühlte auch die Weltkarriere von Alphaville (leider) in den kommenden Jahren ab. «Forever Young» jedoch wurde hundertfach gecovert: Von Jay Z und Karel Gott, von Celtic Woman und Blutengel, von Anastacia und Axel Rudi Pell.

Im Jahr 1986 nutzten Die Goldenen Zitronen eine Parodie des Songs für eine Art «We Are the World» der deutschen Punkszene. Auf «Für immer Punk» singen neben den Zitronen unter anderem auch Die Ärzte, Slime, Die Toten Hosen und Abwärts. Die letzte Strophe bleibt jedoch jenem Mann überlassen, der alles erst losgetreten hat: Marian Gold.

https://www.youtube.com/channel/UCJl7qY1dg66PmYTy460PcXg

Alphaville spielen am 3. November im Kongresshaus, Zürich. Weitere Infos und Tickets gibt es hier.

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15/05/2024 - 15/05/2024
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NORDSTERN ÜBER PRATTELN

Nach drei äusserst schwierigen Jahren für Live-Musik gehen die ungekrönten Könige des melodischen Neo-Prog endlich wieder auf Tour. Beim Besuch im Z7 feiern sie nicht nur 45 Jahre Pendragon sondern auch ihren jüngsten musikalischen Output. Mit dem Mini-Album „North Star“ melden sich die Altrocker um Mastermind Nick Barrett eindrücklich zurück und beweisen, dass sie auch nach viereinhalb Jahrzehnten noch immer ein Garant für traumhaft schöne Prog-Perlen sind.


Pendragon wurden 1978 von Mastermind Nick Barrett in der englischen Grafschaft Gloucestershire gegründet. Erste Erfolge feierte die Band, als der damalige Manager im Jahr 1982 die aufstrebende Band Marillion für eine gemeinsame Tour buchte. Die beiden Bands verstanden sich ausgezeichnet und es folgten weitere Tourneen, bei denen Pendragon im Sog der Überflieger Marillion sukzessive ihre Fanbasis erweitern konnten. 1983 spielten sie schliesslich vor über 30’000 begeisterten Zuschauern auf dem legendären Reading Festival und nahmen eine Session für die populäre BBC-Radiosendung Tommy Vance’s Rock Show auf. Weitere Meilensteine in der Geschichte der Band waren die Gründung des eigenes Labels Toff Records im Jahr 1987 sowie der Release des Albums „The Masquerade Ouverture“ von 1996, von welchem über 60’000 Einheiten abgesetzt wurden. Im Lauf der Jahre festigten Pendragon mit qualitativ stets hochstehenden Veröffentlichungen ihre Position als eine der führenden Progressive-Rock-Bands Grossbritanniens. Sie tourten regelmässig um die Welt, reisten bis nach Südamerika, in die USA, nach Kanada und Japan und spielten ausverkaufte Shows. Nach der pandemiebedingten Zwangspause kehrten Pendragon 2023 für ein paar ausgesuchte Shows auf die Bühne zurück. Und nun geht’s endlich wieder richtig auf Tour. Mit dabei haben sie das Mini-Album „North Star“, auf dem 25 Minuten neu komponierte Musik zu hören ist. Wie üblich bei Pendragon liegt auch „North Star“ ein Konzept zu Grunde. „Der Nordstern hat die Menschheit seit Tausenden von Jahren aus misslichen Situationen geführt“, so Mastermind Nick Barrett „und unser Album ist eine positive Botschaft, die dies nach den letzten drei Jahren als Weg nach vorne für alle nutzt, ganz ohne das leidige C-Wort zu benützen.“ Der Nordstern erstrahlt im nächsten Frühjahr in voller Pracht und weist den Musikern den Weg nach Pratteln.

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