Veröffentlicht am 19. September 2022

Interview: Khruangbin über ihr neues Album «Ali»

Die Band aus Houston, Texas hat ein Album mit Songs der verstorbenen Desert-Blues-Legende Ali Farka Touré aufgenommen – gemeinsam mit dessen Sohn Vieux. Khruangbin geben nur sehr wenige Interviews, aber unser Autor hat eines ergattert. Er sprach für starzone.ch mit Drummer Donald «DJ» Johnson.

Journalist
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Am kommenden Freitag erscheint ein Album, das gleich in doppelter Hinsicht Brücken schlägt. «Ali» von Khruangbin und dem malischen Gitarristen und Sänger Vieux Farka Touré verbindet Vergangenheit und Gegenwart – holt Songs, die in den letzten Jahrzehnten die Gitarrenmusik auf der ganzen Welt beeinflusst haben, in die Jetztzeit. Aber «Ali» verbindet auch die Kontinente: Denn die Songs stammen allesamt von Ali Farka Touré, dem Vater von Vieux Farka Touré. Er gilt zu Recht als einer der einflussreichsten und talentiertesten Gitarristen, die Afrika je hervorgebracht hat. Alis Sound verschmolz die traditionellen malischen Musikstile mit Elementen des Blues, wobei er in den lokalen Sprachen Songhay, Tamasheq, Fulfulde und Bambara sang. Das Ergebnis war die Geburt eines neuen Genres, das heute als «Desert Blues» bekannt ist und ihm drei Grammy-Preise, eine weit verbreitete Verehrung und den Spitznamen «African John Lee Hooker» einbrachte.

Die Familie Farka Touré, Alis ehemaliger Freund, Produzent und Manager Eric Hermann und allen voran Vieux Farka Touré wollten nun ausgewählte Songs von einer zeitgenössischen Band neu einspielen lassen. Ihre Wahl fiel, wenig überraschend, auf das Trio Khruangbin aus Houston, Texas. Laura Lee, Mark Speer und Donald Ray «DJ» Johnson Jr. haben auf Alben wie zuletzt «Mordechai», «Hasta El Cielo» und zwei EPs mit Leon Bridges bewiesen, dass man sehr wohl Einflüsse aus aller Welt musikalisch verarbeiten kann, ohne dabei der kulturellen Aneignung bezichtigt zu werden. Ihr überwiegend instrumentaler Psychadelic-Funk-Sound hat Khruangbin in den letzten Jahren viel Respekt und eine grosse Fan-Schar eingebracht. Wir haben eines der sehr limitierten Interviews mit der Band bekommen und Drummer Donald «DJ» Johnson gesprochen.

Hallo DJ! Ihr spielt auf «Ali» acht Lieder von Ali Farka Touré, der schon einen ziemlichen Legendenstatus hat und sicher auch eine große Inspiration für den Sound von Khruangbin war. Trotzdem klingt das Album sehr schwebend, leicht und enthusiastisch – und dabei trotzdem respektvoll. Wie war es für dich, diese Songs zu spielen?

Offen gesagt kannte ich Vieux' oder Alis Arbeit nicht, als wir zum ersten Mal kontaktiert wurden wegen diesem Projekt. Aber meine Bandkolleg:innen Mark und Laura waren grosse Fans von beiden, vor allem Mark, der als Gitarrist natürlich einen besonderen Blick auf Alis Musik hat. Die beiden strahlten geradezu und fühlten sich sehr geehrt, dass wir gefragt wurden, ob wir helfen wollten, diese Musik neu zu interpretieren. Für mich persönlich war dieses Projekt und vor allem die Arbeit mit Vieux in unserem Studio so eine Art Ausbildung in der Musik von Ali – und auch der malischen Musik im Allgemeinen. Ausserdem: Jedes Mal, wenn jemand an dich herantritt und dich bittet, etwas für oder zu Ehren eines geliebten Menschen zu machen, vor allem eines Elternteils, der nicht mehr da ist, ist es eine besondere Gelegenheit. Und das haben wir nicht auf die leichte Schulter genommen. Deshalb freuen wir uns einfach, ein Teil davon zu sein und dazu beizutragen, das Vermächtnis von Ali zu teilen und Ali Leuten vorzustellen, die seine Arbeit oder sein Vermächtnis vielleicht nicht kennen. So wie ich anfangs auch.

Ihr habt einen grossen Teil der Musik 2019 in eurem Studio in Houston aufgenommen – zusammen mit Vieux. Wie war seine Herangehensweise dabei?

Als wir die Studio-Sessions machten, wollte Vieux nicht, dass wir die Musik, die wir an dem Tag aufnehmen wollten, vorher hören. Er hat uns also kein Material geschickt, keine Songtitel, keine Aufnahmen oder sonst was. Wir sind einfach morgens ins Studio und wussten nicht, was uns erwartet. Ich glaube, er ist so vorgegangen, weil er wollte, dass die Dinge so organisch und echt wie möglich klingen. Er wollte aufrichtig, dass wir die Musik ohne äussere Einflüsse oder vorgefasste Meinungen darüber, wie Mali unserer Meinung nach klingen sollte, interpretieren. Also musste ich mich während der Session auf meine persönliche Intuition verlassen. Ich habe mich gefragt: «OK, was soll ich hier tun? Was klingt hier gut?» Es gab Momente, da lag ich richtig, und es gab welche, da lag ich irgendwie daneben. In der afrikanischen Musik im Allgemeinen gibt es eine andere Herangehensweise an Rhythmen. Vieux finge also manchmal an, etwas zu spielen und ich dachte: «Okay, das ist der Downbeat! Das ist mein Einsatz!» Manchmal lag ich richtig, aber oft meilenweit daneben. Vieux hat mir dann oft gezeigt, wie es für ihn richtig funktioniert. Er ist nämlich übrigens auch ein sehr guter Drummer. Und wie ich schon sagte: Der ganze Prozess war sehr lehrreich und inspirierend für mich.

Das Album beginnt mit dem Song «Savanne». Ich finde es spannend, dass man zuerst lange Zeit nur Vieux’s Gitarre hört. Und eine Orgel, die von deinem Bandkollegen Mark gespielt wird - der ja euer Gitarrist und vielleicht auch ein wenig so was wie ein Bandleader ist. Eine schöne Geste, finde ich. Wie kam es dazu?

Es freut mich sehr, dass du das anspricht. Die Szene zeigt sehr deutlich, was für eine Art von Mensch mein guter Freund Mark ist. Er drängt sich niemals ins Rampenlicht und würde auch deinen Satz mit dem Bandleader nicht mögen. Mark ist sehr großzügig und selbstlos, und er versucht immer das Beste für die Musik zu tun. Und da es zwei sehr starkte Gitarristen in dem Projekt gibt, geraten Vieux‘ ausgeprägter Gitarrenklang und Marks Note schnell aneinander. Mark hat hier ganz selbstverständlich manchmal einen Nebenrolle eingenommen und sein Gitarrenspiel mehr wie eine rhythmische Gitarre gesehen. Den Moment am Anfang der Platte, den du meinst, ist da vielleicht das perfekte Beispiel: Diese hallende Orgel – das ist in diesem Moment Marks Beitrag. Mark hat so eine Art Sprichwort. Er meint: «Wenn du eine Situation angehst, kannst du entweder teilen, kämpfen oder unterstützen.» Und er entschied sich dafür, eine unterstützende Rolle zu spielen, um ein Fundament für Vieuxs Gitarren-Sound zu schaffen.

«Ali» von Khruangbin und Vieux Farka Touré erscheint am 23. September auf dem Label Dead Oceans.

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