Veröffentlicht am 13. Dezember 2023

Hitzone: Warum sang Kim Wilde 1981 über «Cambodia»?

Im Dezember 2024 kommt Kim Wilde auf «Winter Acoustic 2024»-Tour und spielt in Bern, Zürich und Arbon ihre grössten Hits. Wir schauen auf die Geschichte hinter dem Lied «Cambodia», das von ihrem Bruder Ricky und ihrem Vater Marty Wilde geschrieben wurde.

Journalist
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Bei Kim Wilde denken viele zuerst an ihren sehr gut gealterten Hit «Kids In America», den wir uns hier schon einmal genauer angeschaut haben. Fast interessanter ist aber die Entstehung von «Cambodia», das 1981 veröffentlicht wurde, bei uns in der Schweiz auf die 1 der Single-Charts ging und auf dem Album «Select» zu finden ist. Musikalisch eine Melange aus New Wave, Synth-Pop und elektronischen Elementen, verhandelt Wilde lyrisch eine dramatische Geschichte aus der Zeit des Vietnam-Kriegs.

Die Plattenfirma wollte einen Hit – und bekam einen sehr politischen

Schon im Video sieht man, dass dieser Song harter Tobak ist. Kim Wilde windet sich im Schlaf, träumt vom kambodschanischen Dschungel, von Soldaten mit Macheten, von kräftigen Schlangen. Ihr schmales Bett steht inmitten dieses Urwalds, und während Kim Wilde in einem weissen Kleid verängstigt um das Haus schleicht, tauchen immer wieder Soldaten auf. Geschrieben haben den Song Kims Bruder Ricky und ihr Vater Marty Wilde. Die Plattenfirma lag ihnen im Nacken, weil «Kids In America» und «Chequered Love» bereits massive Hits waren, und das Label schnell nachlegen wollte.

In der ersten Strophe heisst es zu den betont kalten Synth-Sounds: «Well he was Thailand based / She was an airforce wife / He used to fly weekends / It was the easy life». Das Lied handelt von einer Frau, deren Ehemann als Air-Force-Pilot in Thailand stationiert ist. Von einem Flug nach Kambodscha kehrt er nie wieder zurück. Damit spielen die Wildes auf die sogenannte «Operation Menu» an. Eine geheime Luftoffensive der US Air Force, bei der Stellungen des Vietcong auf kambodschanischem Gebiet angegriffen wurden. Im Song heisst es weiter: «But then it turned around / And he began to change / She didn't wonder then / She didn't think it strange / But then he got a call / He had to leave that night / He couldn't say too much.» Die Lyrics deuten an, dass besagter Pilot mit Depressionen und moralischen Fragen ringt – und trotzdem aufbricht. Zu einem Flug nach Kambodscha, von dem er nie zurückkommen wird.

«Es ist ein Lied, das einige Fragen offen lässt.»

Martin Wilde ging es trotz des hochpolitischen Themas nicht darum, Geschichtsunterricht abzuhalten. Er sagte in einem Interview: «Als wir das Lied schrieben, stellte ich mir vor, dass ein amerikanischer Pilot von einer Rakete abgeschossen wird. Ich habe versucht zu zeigen, was die meisten Leute über Vietnam und die schrecklichen Tragödien dort dachten.» Kim Wilde fand das Lied ihres Vaters und Bruders so gut, dass sie es noch weit vor ihrem nächsten Album «Select» veröffentlichen wollte. Allerdings setzte sie durch, dass die Erzählperspektive der Lyrics noch einmal verändert wurde. «Der Text war ursprünglich in der ersten Person geschrieben. Aber dann habe ich mich gefragt: Kann ich mich wirklich mit dieser Frau identifizieren? Und so wurde der Text geändert, dass ich über diese Frau und nicht aus ihrer Sicht singe». Ihr gefiel vor allem, dass der Song bis zum Schluss nicht klarmacht, was aus dem Piloten geworden ist. «Es ist ein Lied, das einige Fragen offen lässt. Du weisst nicht, was dem Piloten wirklich in Kambodscha passiert ist. Natürlich hast du eine Ahnung – gelöst wird das Rätsel aber am Ende nicht!»

Ein Top-10-Hit, der gerne gecovert wird

Kim Wilde verbuchte 1981 mit «Cambodia» ihren insgesamt dritten Top-10-Hit der noch recht jungen Karriere. In ihrer britischen Heimat reichte es nur für Platz 12 der Single-Charts. In der Schweiz, in Frankreich und in Schweden landete sie auf der 1, in Deutschland auf der 2. Bis heute ist «Cambodia» nicht nur ein fester Bestandteil ihrer Konzerte – das Lied wurde über die Jahre auch oft gecovert. Scooter hämmerten es 2007 in ihren grenzdebilen Sound, Kims Vater Marty sang es selbst im Jahr 1998 und die norwegische Dark-Wave-Band Apoptygma Berzerk veröffentlichte ihr «Cambodia» 2006 als Single mitsamt Video.

2024 kommt die britische Pop-Ikone auf «Wilde Winter Acoustic 2024»-Tournee, wo Kim Wilde sicher auch eine Version von «Cambodia» spielen wird. Am 11. Dezember ist sie im Bierhübeli in Bern, am 12.12. im Volkshaus Zürich und am 13.12. im Presswerk in Arbon. Infos und Tickets gibt’s hier.

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NORDSTERN ÜBER PRATTELN

Nach drei äusserst schwierigen Jahren für Live-Musik gehen die ungekrönten Könige des melodischen Neo-Prog endlich wieder auf Tour. Beim Besuch im Z7 feiern sie nicht nur 45 Jahre Pendragon sondern auch ihren jüngsten musikalischen Output. Mit dem Mini-Album „North Star“ melden sich die Altrocker um Mastermind Nick Barrett eindrücklich zurück und beweisen, dass sie auch nach viereinhalb Jahrzehnten noch immer ein Garant für traumhaft schöne Prog-Perlen sind.


Pendragon wurden 1978 von Mastermind Nick Barrett in der englischen Grafschaft Gloucestershire gegründet. Erste Erfolge feierte die Band, als der damalige Manager im Jahr 1982 die aufstrebende Band Marillion für eine gemeinsame Tour buchte. Die beiden Bands verstanden sich ausgezeichnet und es folgten weitere Tourneen, bei denen Pendragon im Sog der Überflieger Marillion sukzessive ihre Fanbasis erweitern konnten. 1983 spielten sie schliesslich vor über 30’000 begeisterten Zuschauern auf dem legendären Reading Festival und nahmen eine Session für die populäre BBC-Radiosendung Tommy Vance’s Rock Show auf. Weitere Meilensteine in der Geschichte der Band waren die Gründung des eigenes Labels Toff Records im Jahr 1987 sowie der Release des Albums „The Masquerade Ouverture“ von 1996, von welchem über 60’000 Einheiten abgesetzt wurden. Im Lauf der Jahre festigten Pendragon mit qualitativ stets hochstehenden Veröffentlichungen ihre Position als eine der führenden Progressive-Rock-Bands Grossbritanniens. Sie tourten regelmässig um die Welt, reisten bis nach Südamerika, in die USA, nach Kanada und Japan und spielten ausverkaufte Shows. Nach der pandemiebedingten Zwangspause kehrten Pendragon 2023 für ein paar ausgesuchte Shows auf die Bühne zurück. Und nun geht’s endlich wieder richtig auf Tour. Mit dabei haben sie das Mini-Album „North Star“, auf dem 25 Minuten neu komponierte Musik zu hören ist. Wie üblich bei Pendragon liegt auch „North Star“ ein Konzept zu Grunde. „Der Nordstern hat die Menschheit seit Tausenden von Jahren aus misslichen Situationen geführt“, so Mastermind Nick Barrett „und unser Album ist eine positive Botschaft, die dies nach den letzten drei Jahren als Weg nach vorne für alle nutzt, ganz ohne das leidige C-Wort zu benützen.“ Der Nordstern erstrahlt im nächsten Frühjahr in voller Pracht und weist den Musikern den Weg nach Pratteln.

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