Die Songs der Woche mit The Last Dinner Party, Ayliva, Bring Me The Horizon und mehr

Mero, Ayliva – «Bullet»

2023 war DAS Jahr für die deutsche Sängerin Ayliva. Wer sie für ein substanzloses TikTok-Phänomen hielt, hat eh von Anfang an nicht richtig hingehört. Wie diese junge Frau die Geschmeidigkeit des R’n’B ins Deutsche übersetzte und wie sie ihre Musik dann später bei ihrer ausverkauften Tour auf die Bühne brachte – das war ganz grosses Kino. Da ist es klar, dass sich auch die deutschen Rapper anstellen, um ihre Stimme für einen Track zu gewinnen. Das ist Mero für «Bullet» gelungen – zum Preis, dass Ayliva ihm von Anfang an die Show stiehlt. Sie dominiert den Track, obwohl auch Meros eher zarter als harter Flow seinen Reiz hat.

The Last Dinner Party – «Caesar On A TV Screen»

Britische Gitarrenmusik ist schon lange keine Angelegenheit mehr von übercoolen Dudes mit zu engen Hosen. Das konnte man zum Beispiel letztes Jahr beim Reeperbahn Festival in Hamburg sehen, als die Musikerinnen von The Last Dinner Party zum Tanz baten – und in den ersten Reihen hunderte junger Frauen pogten, einige davon in Ballkleidern, wie sie The Last Dinner Party manchmal tragen. Mit der neuen Single aus ihrem im Februar kommenden Debütalbum «Prelude To Ecstasy» wandeln sie weiter auf den Spuren der frühen Florence Welch und haben im Video grossen Spass daran, ihre elegische Ballade über Ermächtigung in ein klassisches Theaterstück zu überführen – mit amtlichen Applaus am Ende.

The Lemon Twigs – «My Golden Years»

Die Gebrüder Brian (Jahrgang 1997) und Michael D'Addario (Jahrgang 1999) hinterliessen 2016 mit ihrem Debütalbum «Do Hollywood» und den Touren dazu restlose Begeisterung. Zwei charismatische Teenager, die klangen, als wären sie in den späten 60ern während eines LSD-Tripps in einen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum gestolpert und in der Jetztzeit gelandet. Der Hype liess dann ein wenig nach, was The Lemon Twigs aber nicht daran hinderte, weiterhin grandiose Musik zu veröffentlichen. Während ihr letztes Album «Everything Harmony» aus dem Mai 2023 gerade zu Recht in zahlreichen Jahresbestenlisten auftauchte, haben sie heute eine neue Standalone-Single für uns. „My Golden Years“ ist ein perfekter Gegenpol zum tristen Wetter und zur Nachrichtenlage: 60s-Harmonien, West-Coast-Vibes, Melancholie, Catchiness – alles da und exakt in dieser Kombi unwiderstehlich.

Bring Me The Horizon – «Kool Aid»

Oli Sykes und seine Band Bring Me The Horizon werden bekanntlich in diesem Jahr am 13. Juni das Greenfield Festival headlinen und bald hoffentlich ihren neuen Release «Post Human: NeX Gen» am Start haben. Darum gab es zuletzt bei den Fans und bei der Band gehörig Aufregung. Erst wurde die Veröffentlichung verschoben, mit dem Statement, dass man die Songs aufgrund besonderer Umstände nicht in der Qualität habe vollenden können, wie sich die Band das gewünscht hätte. Dann wurden die von Fans bereits erahnten Umstände öffentlich: Bring Me The Horizon trennten sich von Jordan Fish, der seit 2012 eine Stütze der Band war. Fish war nämlich weit mehr als Keyboarder – er war zudem Background-Sänger, Produzent und Songwriter. «Kool Aid» lässt noch keinen Qualitätsabfall erkennen und führt den Sound weiter, den Bring Me The Horizon schon mit der vorherigen Single «DArkSide» wählten. Elektronische Wucht hinter Drums- und Gitarrengeballer, das auf epischen Sytnhs-Flächen surft. Unter den beteiligten Songwriter:innen finden sich satte sechs Namen – Jordan Fish ist keiner davon. Die Fans scheinen es zu feiern, wenn man den YouTube-Kommentaren glauben mag – sollte es am Ende so einfach sein?

King Creosote – «Please Come Back I Will Listen, I Will Behave, I Will Toe The Line (Edit)»

Den schottischen Songwriter King Creosote sollte man kennen, wenn man auf poetisches, atmosphärisches Singer-Songwriter-Storytelling steht. Seit Ende der Neunziger veröffentlicht er immer wieder grandiose Alben, mal eher folkig gehalten, mal erstaunlich abenteuerlustig und episch geraten. Eine seiner besten Arbeiten ist dabei sicherlich das Album «Diamond Mine», das er 2011 mit dem britischen DJ, Produzent und Musiker Jon Hopkins aufnahm. Bereits im November sein aktuelles Album «I Des» via Domino Records. Das Highlight darauf: die 13-minütige Ballade «Please Come Back I Will Listen, I Will Behave, I Will Toe The Line (Edit)», die sich langsam aus wunderschönem, nebligem Frauengesang erhebt und einem dann ganz langsam das Herz zerquetscht. Ab heute gibt’s den Song auch in einem radiotauglichen Edit – eine gute Idee, denn King Creosote klingt hier trotz des unhandlichen Titels und der Länge des Originals so zugänglich wie lange nicht.

Das war nur eine kleine Auswahl der heutigen Neuveröffentlichungen. Weitere gibt es in dieser Playlist: