Pubblicato il 26. luglio 2022

Maximal übertrieben: Das steckt hinter dem Hyperpop-Phänomen

Schnelle Songs, verzerrte Bässe und schrille, hochgepitchte Vocals: das ist Hyperpop. Dank Soundcloud und YouTube erreichte das Mikrogenre schnell abseits des Mainstreams ein grosses Publikum. Heute boomt es auf TikTok. Was steckt hinter dem Hype?

Journalist
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Charli XCX Press Picture

Over-the-top und trotzdem nie genug: Wenn sich die Internet-Kultur mit populärer Musik vermischt, entsteht «Hyperpop». Eine Art Chart-Pop, der mehr Indie ist, als alles, was man jemals darunter verstand. Das Genre, das keines sein will, trendet seit zwei Jahren auf TikTok. Selbst wenn man sich – wie die Autorin dieses Textes – bislang weigert, die App herunterzuladen, ist es praktisch unmöglich, sich der Wirkung dieser Musik zu entziehen.

Britische Wurzeln

Als Ursprung und grösster Einfluss der Hyperpop-Bewegung zählt der Dunstkreis rund um den Londoner Produzenten und Künstler A. G. Cook. 2013 gründet er das Label und Kunst-Kollektiv «PC Music» und legt damit den Grundstein für eine neue musikalische Bewegung, aus der später Hyperpop entsteht.

Hat den Grundstein für Hyperpop gelegt: der britische Produzent und Musiker Alexander Cook, aka A. G. Cook. Bild: © PC Music  - PC Music
Hat den Grundstein für Hyperpop gelegt: der britische Produzent und Musiker Alexander Cook, aka A. G. Cook. Bild: © PC Music - PC Music

PC Music legt die damals beliebte, düstere Art der elektronischen Musik ab und kombiniert stattdessen die überschwänglichsten und absonderlichsten Elemente des Pop zu niedlichen, künstlich anmutenden Songs. Stellenweise wirken diese wie ein Kindergeburtstag auf Speed, trotzdem driften sie nie in die Albernheit ab. Mit Künstler:innen wie Danny L Harle, Hannah Diamond, Caroline Polachek, Charli XCX oder SOPHIE erreicht Cook bald ein Millionenpublikum. Entgegen vieler Pressestimmen war PC Music für den Briten aber nie die Zukunft des Pop, sondern vielmehr eine «transparente, total aggressive Version der Gegenwart», wie er in dieser sehr sehenswerten Arte-Doku verrät:

Arte TRACKS: Wie PC Music den Pop neu definiert

Underground-Phänomen und Mainstream-relevant

Mikrogenres wie Hyperpop sind erst durch das Internet möglich. Junge Menschen rund um den Globus können sich digital vernetzen und in einem Mikrokosmos kreativ austoben. So entstehen neue Genres fast im Wochentakt. Hyperpop legt die formalen Genrekonventionen bewusst ab, vereint dafür elektronische Beats, Rap, Nu Metal, EDM oder Bubblegum Pop mit vielem mehr zu einem ganz eigenen Gefühl. Die 2019 von Spotify-Redakteur:innen kreierte Playlist «Hyperpop» macht das Phänomen erstmals einem breiten Publikum bekannt. Künstler:innen wie 100 gecs, Charli XCX oder osquinn und ericdoa haben dazu beigetragen, dass sich die Szene innerhalb kürzester Zeit von der Nische zum viralen Gesprächsthema Nr.1 entwickelt hat.

100 gecs - money machine (Official Music Video)

Realness in der Künstlichkeit

«I’m real when I shop my face», singt die 2021 viel zu früh tödlich verunglückte Produzentin SOPHIE auf ihrem Track «Faceshopping» und befürwortet damit plastische Eingriffe als eine Form von Selbstbestimmung und Befreiung. Sie zeigt damit einer ganzen Community: Ihr könnt alles sein, was ihr wollt – und müsst euch dafür nicht rechtfertigen. Die für einen Grammy nominierte Transgender-Ikone gilt (u.a.) mit A. G. Cook als Pionierin der PC Music. Sie ist aber nicht die Einzige, die sich mit Geschlechtsidentitäten und sexueller Orientierung abseits der gesellschaftlichen Norm auseinandersetzt. Viele Hyperpop-Artists sind queer und kommunizieren das mit Bildern, Worten oder Ton. Stimmverzerrungen durch Autotune oder Echos dienen dazu, Genderkonstruktionen zu hinterfragen, akustische Instrumente sucht man hier eher vergebens.

SOPHIE — Faceshopping (Official Video)

Die «PC-Chinder» aus dem Internet

Viele Hyperpop-Künstler:innen haben sich noch nie im echten Leben getroffen. Sie vernetzen sich online und teilen ihre Musik auf Streaming-Plattformen. Auch der Basler Roy Aqua, der selber noch unsicher ist, ob er sich überhaupt in der Hyperpop-Ecke sieht: «Ich definiere es vor allem durch die Produktion: Uptempo-Beats um 180 bpm, EDM-Einflüsse, die Stotter-Effekte, gepitchte Vocals, alles ist verglitcht, alles digital. Das ist Hyperpop für mich», verrät er dem Online-Magazin Lyrics. Langsam bilde sich in der Schweiz eine kleine Community rund um die «PC-Chinder» oder «Bedroom-Produzenten», wie Aqua sich selber bezeichnet. Auch er gehört, wie praktisch alle Hyperpop-Artists, der Generation Z an und hat den Grossteil seiner Jugend vor dem Computer-Bildschirm verbracht. Die sozialen Medien ermöglichen den jungen Künstler:innen, sich vom Kinderzimmer weltweit zu connecten. Ein klarer Vorteil für die Schweizer Szene: Weil die Texte oft unverständlich sind, funktionieren sie auch international.

ROY AQUA - ELASTICO (FEAT. D.BEIBI) (SHOT BY @ZUFZUFZUF)

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