RIP RCKSTR: Das Schweizer Musikmagazin feiert seinen Abgang
Zürichs Antwort auf den NME oder doch das grösste Schundblatt zwischen Genf und Gossau? Wenige Publikationen in diesem Land wurden in den letzten zwei Jahrzehnten so sehr geliebt und so sehr gehasst wie RCKSTR. Jetzt ist dem Magazin das Papier endgültig ausgegangen – die Gründe zum Feiern aber nicht.
«ROCK IS DEAD» stand in grossen Lettern auf der Titelseite, als im April 2004 die erste Ausgabe des damals noch RockStar benannten Magazins erschien. Knapp 20 Jahre später wird zumindest der Bote dieser Todesmeldung ins Grab getragen.
Einige hätten diesem Abgang wohl gerne etwas früher kommen sehen. Tom G. Warrior zum Beispiel. Der Sänger der internationalen Metal-Pioniere Celtic Frost stürmte nach kreativen Differenzen über seine Heftkolumne eines Abends wutentbrannt ins Büro und schmiss nach einem lautstarken Grollduell mit dem Chefredaktor hin. Oder die Trägerinnen und Träger des «Fuck You, You Fuckin Fuck»-Awards, einem jährlichen Schmäh-Preis für die Schweizer Prominenz. Unter anderem durften sich Chris von Rohr, DJ Antoine und Gölä über den Sieg, äh, freuen. Ex-Fitness-Influencerin Anja Zeidler und Ex-Pornostar J.P. Love holten die Mittelfingertrophäe gar persönlich bei der Preisübergabe ab.
Konnte RCKSTR überhaupt auch was anderes als Streit anfangen? Ab und zu. Als ROCK plötzlich gar nicht so DEAD war, begleitete und befeuerte das Magazin den Boom der nationalen und internationalen Indie-Szene. RCKSTR sang Lobeshymnen auf einheimische Szenedarlings wie Tim Freitag, Batbait und Crimer, bevor alle anderen mit einstimmten. Koryphäen wie Iggy Pop, Liam Gallagher und Jarvis Cocker liessen sich zu ausführlichen Interviews bitten. Und warum Neil Diamond der grösste Künstler aller Zeiten ist, wurde mit 724 Gründen über mehrere Dutzend Ausgaben dargelegt.
Von den Heftseiten auf den Tanzboden
So oft RCKSTR den Mittelfinger gegen das gute Benehmen ausstreckte, hatte es diesen auch meist am Puls der Zeit. Und begann schon früh, das beschriebene Lebensgefühl von den Heftseiten ins echte Leben zu übersetzen. Seinen Auftritt am Greenfield Festival baute das Magazin von einem kümmerlichen T-Shirt-Verkaufsstand aus zum RCKSTR-Block, einem riesigen und lautstarken Party-Areal, wo sich Headbangers von sehr früh bis sehr spät die Haare in Bier duschen können. Mehrere Partyreihen brachten den Sound vom Heft auf Dancefloors in Zürich, Luzern und Davos. Und zur 10-jährigen Jubiläumsfeier spielten unter anderem The Kooks ein Geburtstagsständchen in der MAAG Music Hall.
Im März 2020 hätte RCKSTR mit einem Redesign und neuer Chefredaktion den 16. Geburtstag feiern wollen. Leider kam ein knapp abgewendeter Weltuntergang dazwischen. Nach der Pandemie schaffte es das Heft aufgrund weggebrochener Werbekunden und gestiegener Papierpreise nur noch als Onlineversion auf die Beine und stolperte für einige Monate weiter voran. Damit ist aber nun auch Schluss und der letzte Weg führt dorthin, von wo aus RCKSTR in den vergangenen Jahren seinen Schabernack trieb: an die Zürcher Langstrasse.
Finale Feier im Kir Royal
Diesen Freitag, 1. Dezember findet im Kir Royal ab 22 Uhr die grosse Abschiedsfeier statt. Das in alle Himmelsrichtungen der Schweizer Medienlandschaft verstreute Team (einige hat es gar in die Starzone geweht) kommt noch einmal zusammen und hebt die Gläser zur Musik, die das Magazin geprägt hat. Willkommen sind alle - selbst wenn beim Auftauchen von Celtic Frost einige Köpfe in Deckung gehen würden.