Publié le 15. décembre 2022

Interview mit dem Cast von «Frieden, Liebe und Death Metal»

Wie lebt man weiter, wenn das Konzert der Lieblingsband zum Schauplatz eines Massakers wird? Der Film «Frieden, Liebe und Death Metal» erzählt vom Trauma der Anschläge auf den Pariser Club Bataclan am 13. November 2015. Noémie Merlant und Nahuel Pérez Biscayart spielen ein Paar, das überlebte und nun mit diesem Trauma umgehen muss. Wir trafen sie zum Interview.

Journalist
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Sieben Jahre nach den Terrorangriffen in Paris am 13. November 2015 kommen die ersten Filme in die Kinos, die sich dieser Nacht widmen. Während der Regisseur Cédric Jimenez in «November» die Jagd der Terrorfahnder*innen nach den Drahtziehern und Tätern der Terrorangriffe in Form eines atemlosen Thrillers inszenierte, ist «Frieden, Liebe und Death Metal» von Isaki Lacuesta ein empathisches Drama über Liebe und Trauma. Der Film erzählt die Geschichte des Pärchens Céline (Noémie Merlant, die man aus «Portrait einer jungen Frau in Flammen» kennen dürfte) und Ramón (Nahuel Pérez Biscayart), die am 13. November im Bataclan auf dem Konzert waren und überlebten. Der in Barcelona lebende Ramón González schrieb seine Erfahrungen im Buch «Frieden, Liebe und Death Metal» nieder, dessen Titel Bezug nimmt auf ein Album der Band, die an jenem Abend dort spielte: die Eagles of Death Metal des Sängers und Gitarristen Jesse Hughes. Lacuestas Film trägt nun auch diesen Titel, nachdem er bei der Berlinale noch unter «Un año, una noche – Ein Jahr, eine Nacht» lief. Dort trafen wir die beiden Hauptdarsteller:innen zum Interview.

Noémie, du bist in Paris geboren und wohnst dort. Wie hast du diese schlimme Nacht erlebt?

Noémie Merlant: Ich war zuhause bei mir im 12. Arrondissement von Paris. Was gar nicht so weit entfernt ist vom Bataclan. Wie sehr viele andere habe ich zunächst mit Unverständnis reagiert. Und mit grossem Schrecken. Ich hatte Angst, da ich nicht wusste, ob meine Familie oder meine Freunde vielleicht unter den Opfern waren. Das sind schliesslich Orte, an denen wir oft waren. Ich war erst zwei Tage zuvor in der Bar Le Carillon, das an diesem Abend ein Ziel war.

Nahuel, du hattest in der Vorbereitung viel mit dem Überlebenden Ramón González zu tun, der wie auch Céline an den Dreharbeiten beteiligt war. Wie war diese Erfahrung für dich?

Nahuel Pérez Biscayart: Ramón Gonzalez, der Autor des Buches, war sehr grosszügig und hat sich viel Zeit für uns genommen. Ebenso wie seine Partnerin Céline. Wir haben uns unterhalten, ich bin mit ihnen in Barcelona spazieren gegangen, als wir gedreht haben. Sie sind erstaunliche Menschen, auch abseits der Dinge, die mit dem Bataclan und den Film zu tun haben. Generell kann man sagen: Wenn wir in Filmen arbeiten, die einen historischen Kontext haben und Ereignisse, die wirklich stattgefunden haben interpretieren, dann hilft es uns, nahe an Menschen zu sein, die das wirklich gelebt haben. Wir können uns mit mehr Freiheit, Mut und Kreativität in diese Fiktion eines Filmes hineinversetzen, weil wir besser verstehen, wie sie denken.

Noémie Merlant: Ramón und Céline reagieren sehr unterschiedlich auf ihr Trauma. Céline verdrängt alles, während Ramón fast manisch versucht, sich an alles zu erinnern und die Geschehnisse exakt zu rekonstruieren. Ich weiss natürlich nicht, wie ich auf so ein Trauma reagieren würde, aber ich kann beide Wege verstehen. Céline kennenzulernen, hat geholfen, ihren Umgang damit besser zu verstehen.

Der Regisseur Isaki Lacuesta hat zuvor auch TV-Dokumentation für das spanische Fernsehen gemacht, zum Beispiel über den Terrorismus der ETA in Spanien. Er erzählte mir, dass auch dieser Film von einer gründlichen Recherche und von vielen Interviews begleitet wurde. Wie habt ihr seinen ja schon fast journalistischen Recherche-Prozess genutzt?

Nahuel: Wir haben wirklich sehr schlimme Bilder gesehen und Dinge gehört. Wir waren in Kontakt mit der Polizei, haben mit Menschen gesprochen, die sich im Backstage des Bataclan versteckt hielten wie Ramón und Céline. Unser Regisseur Isaki hat uns diese Treffen und Einsichten ermöglicht, aber allen Schauspieler:innen überlassen, was und wieviel sie sehen wollen.

Noémie: Meine Charakterin, also Céline, behauptet lange, dass sie überhaupt keine brutalen Szenen gesehen habe. Aber das stimmt natürlich nicht. Sie hat was gesehen und deshalb war das auch nötig für uns. Damit wir besser verstehen können, was für Bilder sie unterdrücken musste. Wir haben wirklich sehr viele Informationen und Konkretes wie zum Beispiel Polizeifotos bekommen. Es war schwierig, aber es war nötig.

Nahuel: Eine Sache fällt mir dazu noch ein: Mein Charakter, also Ramón, ist sehr detailverliebt und kontrolliert. Er will sich jedes Detail merken und sich exakt erinnern. Irgendwann habe ich auch so funktioniert. Ich wollte unbedingt die Baupläne des Bataclan sehen, um zum Beispiel zu wissen, wie die Treppe gebaut war, die ins Backstage führt oder wie viele Stufen es bis zur Garderobe sind.

Eine letzte Frage noch: Habt ihr eigentlich einen persönlichen Bezug zu dieser Konzert-Welt?

Noémie: Ich bin ja in Paris aufgewachsen und eine Weile sehr gerne in Clubs und auf Konzerte gegangen. Dieser Job als Schauspielerin ist damit allerdings schwer zu verbinden. Ich reise viel, bin oft sehr tief in den Arbeitsprozessen drin – da bleibt wenig Zeit, um zu schauen, wer wo spielt.

Nahuel: Ich habe eine Weile in New York gelebt. Da war ich ständig in kleinen Clubs, um irgendeine neue Band zu schauen – die dann ein Jahr später plötzlich der heisse Scheiss war. Ich habe das geliebt. Aber bei mir ist es ähnlich, wie bei Noémie: Seit einigen Jahren reise ich viel und kriege die meisten Konzerte gar nicht mehr mit. Aber es ist schön, dass du gefragt hast: Mir fällt gerade auf, dass ich mich eigentlich wieder mehr mit dieser Welt in Verbindung bringen wollte. Vielleicht werde ich das tun.

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