Publié le 21. juillet 2022

How to Festival: 5 Tipps vom Experten

Unser Autor läuft seit 1996 ca. fünf bis zwölf Mal im Jahr auf Festivals rum, verkaufte zehn Jahre lang Bier auf dem Glastonbury und war mal Redakteur des grössten Festivalmagazins in Deutschland. Hier teilt er fünf, nennen wir es ruhig so, Weisheiten.

Journalist
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1. Wer feiern will, muss freundlich sein

In meinen Jahren als Arbeiter auf diversen Festivals – zum Beispiel als Einlassbändchen-Drum-Macher beim Hurricane Festival oder als Bierverkäufer auf dem Glastonbury in England – ist mir eines immer wieder aufgefallen: Wer sich gegenüber den Securities, dem Barpersonal, den Essensverkäufer:innen, und vor allem den Dixi-Profis scheisse oder verächtlich verhält, der bekommt das irgendwann heimgezahlt. Zum einen ist es ja eh so, dass man gerade dankbar sein muss für alle, die so ein Festival überhaupt möglich machen mit ihrer Arbeitskraft. Zum anderen gibt es oft einen guten Zusammenhalt innerhalb der Crews – man merkt sich, wenn jemand Scheisse baut. Beim britischen Reading Festival kam es zum Beispiel einmal vor, dass ein paar besoffene Idioten mit leeren Bierdosen nach uns warfen und gar versuchten uns durch den Zaun des Campingplatzes auf dem Weg zu unserer Bar anzupinkeln. Was sie nicht wussten: Wir waren auf dem Weg zur einzigen Bar auf dem Campingplatz, auf dem man recht günstiges Dosenbier kaufen konnte. Wir haben uns ihre Gesichter gemerkt. Und sie haben bei uns nicht ein Bier bekommen. Das ist natürlich ein Extrem-Beispiel, aber generell muss man es einfach sagen: Ein Festival wird für alle besser, wenn die Vibes stimmen und man allen Arbeitenden maximalen Respekt entgegenbringt. Was aber natürlich auch in beide Richtungen gilt – wer als Arbeitender das Publikum verachtet, sollte auch seinen Job überdenken.

Bist du nett zur Festivalcrew, wird das Festival auch für dich besser.  - Björn Buddenbohm
Bist du nett zur Festivalcrew, wird das Festival auch für dich besser. - Björn Buddenbohm

2. Jede Band zählt!

Gerade auf grossen Festivals ist es mir häufig passiert, dass die spannendsten Konzerte vor leeren Bühnen am frühen Nachmittag gespielt wurden – oder der letzte Act, der zu unchristlichen Nachtzeiten spielte, zum absoluten Highlight wurde. Was ich damit sagen will: Wenn ihr ein Festival besucht, dessen Booking ihr mögt, dann schaut euch das komplette Line-up an. Oft werden nämlich aufstrebende Newcomer:innen oder musikalisch herausfordernde Acts auf eher ungünstige weil frühe Slots gebucht – der aber wenig über die Qualität der Musik aussagt. Heutzutage hat fast jedes Festival eine eigene Playlist mit dem Line-up, deshalb würde ich die immer im Vorfeld durchhören, um zu merken, was mich musikalisch catcht. Diese Neugier hat mir schon viele Shows beschert, mit denen ich jetzt prahlen kann. Florence And The Machine hat zum Beispiel einen ihrer ersten Festivalgigs im «New Bands Tent» auf dem Reading am frühen Nachmittag gespielt – und sprang schon damals ins Publikum. Daft Punk wiederum sah ich Ende der 90er – als sie noch nicht mal Helme trugen – weil mich ein Kumpel auf einem Rockfestival spät nachts noch zur kleinen Zeltbühne zerrte. Das sind nur zwei von zahlreichen Beispielen.

Plötzlich steht man in der ersten Reihe bei der ersten Band des Tages – und stellt begeistert fest: Die ist so geil, wie der Headliner nie werden wird.  - Vollvincent
Plötzlich steht man in der ersten Reihe bei der ersten Band des Tages – und stellt begeistert fest: Die ist so geil, wie der Headliner nie werden wird. - Vollvincent

3. Don’t panic!

Frei nach Coldplay und «Per Anhalter durch die Galaxis» kommt hier mein Tipp für das wirklich grosse Getümmel: Don’t panic. Wobei mir natürlich klar ist, dass man Panikmomente oder Angstgefühle kaum rational ausschalten kann. Aber: Als jemand, der auf Dutzenden Festivals mit Publikumsgrössen jenseits der 40.000 war und dabei schon hin und wieder mal extrem unangenehme Crowd-Momente erlebte, kann ich sagen: Es geht schon wirklich in den allerallerallerallerallerallerallermeisten Fällen gut. Gerade im deutschsprachigen Raum herrschen harte Standards, wenn es um Festivalsicherheit und Publikumsführung geht. Vor allem die tragischen Fälle, zum Beispiel das Loveparade-Unglück 2010, haben die Situation noch einmal verbessert. Es gibt seitdem mehr Bewusstsein, es gibt mehr Fachleute, es gibt Schulungen für Polizei, Rotes Kreuz und Security-Personal, es gibt mehr Wellenbrecher und bessere Fluchtwege. Mit diesem Wissen lebt es sich schon einmal etwas ruhiger. Entscheidend ist dann aber oft auch die eigene Reaktion, wenn es mal kritisch wird. Denn das kann immer mal wieder passieren – zum Beispiel, wenn ein grosses Festival eine neue Location zum ersten Mal bespielt, oder ein Act viel mehr Menschen zieht, als im Vorfeld gedacht. In solchen Momenten half es mir immer, Ruhe zu bewahren und auszustrahlen, nicht in eine Richtung zu drängeln, mich selbst und andere zu stabilisieren, falls die Menge ins Wogen gerät. Gleichzeitig beruhigt es mich, wenn ich spüre, dass die Menschen um mich herum ebenfalls ruhig bleiben. Wie wichtig ein entspanntes Publikum ist, habe ich erst kürzlich beim Roskilde Festival in Dänemark gespürt – das entspannteste Festival, das man mit 120.000 anderen Menschen erleben kann. Ein Festival übrigens, bei dem im Jahr 2000 bei einem Pearl Jam-Konzert neun Konzertbesucher im Gedrängel auf matschigem Boden ums Leben kamen. Ein Schock, der dafür sorgte, dass das Roskilde in den Jahren danach zu einem der sichersten Festivals der Welt wurden.

Frei nach Coldplay und «Per Anhalter durch die Galaxis» kommt hier mein Tipp für das wirklich grosse Getümmel: Don’t panic.  - Splash Festival / Michael Bomke
Frei nach Coldplay und «Per Anhalter durch die Galaxis» kommt hier mein Tipp für das wirklich grosse Getümmel: Don’t panic. - Splash Festival / Michael Bomke

4. Wenn es um deine Lieblingsband geht: Scheiss auf Gruppendynamik!

Diesen Leitsatz muss ich erklären: Ein Festival ist für mich auch immer ein Gruppenerlebnis. Es gibt kaum Schöneres, als den Tag mit guten Freund:innen unter einem Pavillon zu starten oder sich später gemeinsam in den Moshpit zu stürzen. Aber - wenn ich eine Band sehen will, dann heisst es bei mir immer: Scheiss auf Gruppendynamik! Wer auf den halbmotivierten Kumpel wartet, oder die gute Freundin, die allen zehn Minuten ihre Tasche verliert, oder generell einfach immer nur mit der ganzen Truppe vom Campingplatz zum Festivalgelände geht, dann wird man das, was man wirklich sehen will, todsicher verpassen oder aus weiter Ferne angepisst und genervt auf die Bühne schauen. Für mich war deshalb immer klar: Mein Lieblings-Act hat Vorfahrt. Und wer mit will, richtet sich nach meinem Anreiseplan. Wenn das nicht aufgeht, kann man sich spätestens am nächsten Morgen noch mal erzählen, wie die Abende so waren.

Unser «Festivalexperte» Daniel Koch läuft seit 1996 ca. fünf bis zwölf Mal im Jahr auf Festivals rum, verkaufte zehn Jahre lang Bier auf dem Glastonbury und war mal Redakteur des grössten Festivalmagazins in Deutschland.  Hier sieht man ihn vor der Orange Stage des Roskilde Festivals.  - privat
Unser «Festivalexperte» Daniel Koch läuft seit 1996 ca. fünf bis zwölf Mal im Jahr auf Festivals rum, verkaufte zehn Jahre lang Bier auf dem Glastonbury und war mal Redakteur des grössten Festivalmagazins in Deutschland. Hier sieht man ihn vor der Orange Stage des Roskilde Festivals. - privat

5. Musik ist aber auch nicht immer alles

Trotz meiner Liebe zur Musik und den vielen Gigs, von denen ich hier schwärmte, macht’s für mich am Ende aber immer die Mischung aus Geselligkeit und guter Musik. Manchmal muss man diese Band, von der alle reden, die man aber nur so semi-gut findet, dann eben nicht sehen, sondern das gute Gespräch beim Campingplatz-Bierchen zu Ende führen. Oder mit dieser wilden Techno-Clique, bei der man zwei Menschen ziemlich hot findet, doch noch zum DJ Irgendwer weiterziehen, anstatt die Punkband zu schauen, bei der man schon zweimal auf der Tour war. Ein Festival wird dann am besten, wenn man seinen eigenen Flow findet und sich vorher ungefähr ausmalt, wie das perfekte Festivals aussieht.

Erkenne die Momente, die dann doch mal wichtiger sind als deine Lieblingsband.  - Melt Festival / Kirsten Otto
Erkenne die Momente, die dann doch mal wichtiger sind als deine Lieblingsband. - Melt Festival / Kirsten Otto

Bonus-Tipp: Wetter ist immer!

Eine Erkenntnis zu guter Letzt: Sonne und blauer Himmel können auf einem Open-Air ganz geil sein. Oder gesundheitsgefährdend, wenn man weder Sonnenmilch, noch Wasser, noch Hut mithat. Regen ist halt auch meistens scheisse, sorgte aber in meiner Festivalbiografie für einige der lustigsten Momente. Kurz gesagt: Wetter ist immer und es ist selten so, wie man sich das wünscht. Deshalb nützt das Drüber-Maulen nie so wirklich. Was dagegen hilft: Einmal in robuste Schuhe und einen gute Regenjacke investieren, parallel Sonnenmilch und Hut am Start haben – und dann kurz vorher schauen, was man so braucht.

Dieses Traumwetter wünscht man sich natürlich – aber man kriegt es selten. Ist dann halt so.  - Thomas Kjaer
Dieses Traumwetter wünscht man sich natürlich – aber man kriegt es selten. Ist dann halt so. - Thomas Kjaer

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