Adel Tawil: «Ich werde nirgendwo hingehen!»

Wir alle kennen mindestens einen Adel Tawil Song, doch erst jetzt lernen wir den Mann hinter unzähligen Hits so richtig kennen. In seinem neuen Album «Spiegelbild» singt er über die Stille, die manchmal lauter ist als jeder Jubelschrei. Malika spricht mit Adel über Hoffnungslosigkeit, Heimat und seine Rolle als Vater.

Journalist

Als ich Adel Tawil treffe und mich vorstelle, spricht er mich direkt auf meinen arabischen Namen an. Etwas, das uns verbindet, sind die Wurzeln in Nordafrika und die Tatsache, dass wir beide unser ganzes Leben lang zwischen zwei Welten gestanden sind. Adels Eltern stammen aus Ägypten und Tunesien, doch seine Heimat ist Berlin. Im Endeffekt spielt es überhaupt keine Rolle, denn wir sind alle Menschen. Genau diese Frage stellt sich Adel in seinem neuen Album «Spiegelbild», wo bleibt der Mensch? Das vierte Studio Album, das in der Pandemie-Zeit entstanden ist, sei Adels Persönlichstes bis jetzt. Er lässt die Mauer vor seinen Gefühlen und Gedanken fallen. Im Interview spricht er sehr offen über seine dunklen Zeiten in der Pandemie, politische Ereignisse, die ihn mitnehmen und die Schwierigkeiten, zwischen zwei Kulturen aufgewachsen zu sein.

Dein neues Album heisst Spiegelbild. Was siehst du, wenn du in den Spiegel schaust?

Jetzt sehe ich wieder einen relativ ausgeglichenen Menschen, der schon viel erlebt und gesehen hat, aber voller Hoffnung für die Zukunft ist. Ich bin gelassener geworden. In der Pandemie habe ich jemanden gesehen, der nur noch zu Hause sass, Pizza gegessen und keinen Sport gemacht hat. Ich war da wirklich sehr neben der Spur.

Wie konntest du dich wieder ankurbeln, ein neues Album auf Papier zu bringen?

Ich hatte geplant, den Grundstein für mein neues Album zu legen, aber dann kam die Pandemie. Aber es war ja nix los. Ich brauche Leute, ich muss mit Menschen arbeiten können, Sachen erleben, Geschichten hören. Eben, das normale Leben leben, dann kann ich auch Songs schreiben. Aber nicht wenn ich zu Hause sitze, was soll das für ein komisches Album werden, so ein Einsiedler Höhlenmenschen Album? (lacht)

Als dann 2021 die Studios wieder aufgingen, ging es entgegen den Anfangs-Schwierigkeiten recht rasch in die Album-Produktion.

Viele dieser Gedanken und Gefühle aus dieser Zeit gibst du in deinem neuen Album preis, macht dich das jetzt nervös, dich so verletzlich zu zeigen?

Es war natürlich anders als die Alben zuvor. Früher war da immer so eine natürliche Grenze, wo ich gesagt hab, bis hier hin und nicht weiter. Die Leute haben ein Bild von einem «Ehy, der Typ ist erfolgreich, der Typ singt und reist durch die Welt, der muss total happy sein.», aber die vergessen halt, dass ich ein ganz normaler Mensch bin wie jeder andere auch mit Ups und Downs. Früher hat man das halt manchmal überspielt, aber gerade in der Pandemie sassen wir ja alle im gleichem Boot.

Welcher Song aus dem neuen Album bedeutet dir am meisten?

«Menschenkinder», weil es war der Song, der dagegen gehalten hat. Alle waren schlecht drauf, alles war negativ und voll gespalten und ich dachte ehy nein, es gibt auch gute Leute. Es gab bei uns in der Nachbarschaft Studenten, die haben bei den Älteren geklingelt, haben für sie die Einkäufe gemacht. Das war für mich dann der Grund, diesen Track zu schreiben. Wir haben den Song dann auch, als der Krieg in der Ukraine ausbrach, vor dem Brandenburger Tor gespielt.

Du sprichst den Ukraine Krieg an, eines von vielen schlimmen Ereignissen, die auf der Welt gerade passieren. Gibt es etwas, was dich besonders mitnimmt?

Es gibt viele Ereignisse, die mich mitnehmen. Die Klimakrise macht mir besonders Angst, weil ich eine Tochter habe. Ich finde Aktionen wie auf der Strasse festkleben und so schwierig, aber ich kann’s halt voll verstehen. Und der Krieg ist natürlich auch etwas, das mich mitnimmt. Ich muss aufpassen, weil ich so ein Nachrichtenjunkie bin, das zieht einen echt runter.

Fühlst du dich selbst auch verpflichtet, deine Plattform als Künstler zu nutzen, um was dagegen zu unternehmen?

Ja, total, das hab ich beim letzten Album mit «Wohin soll ich gehen?» versucht. Das ist ja immer ein sehr beliebter Spruch «ja geh dahin, wo du hergekommen bist», ja wohin denn? Ich bin ja hier geboren. Und da geht es schon los. Ich werde nirgendwo hingehen. Ich sehe es als meine Verantwortung, da auch meinen Teil dazu beizutragen. Und vielleicht die eine oder den anderen zum Nachdenken zu bringen.

Du hast 2017 auch einen Song veröffentlicht, in dem es um Heimat ging. Deine Eltern kommen aus Ägypten und Tunesien. «Eine Welt, eine Heimat» zusammen mit Youssou N’Dour und Mohamend Mounir. Ihr habt in dem Song auf Deutsch, Französisch, Englisch und Arabisch gesungen. Könntest du dir vorstellen, einmal einen ganzen Song auf Arabisch zu produzieren oder sogar in Tunesien oder Ägypten zu performen?

Ich kann es mir auf jeden Fall vorstellen. Das Problem ist, ich spreche einen ganz, ganz merkwürdigen Dialekt. Meine Mutter ist ja tunesisch, mein Vater ägyptisch und die Leute denken dort immer, ich bin Libyer. Ich denk mir dann so, ich muss erst mal richtig Arabisch lernen, weil die Leute merken ja sofort, du kommst nicht von hier. Sprichst du eigentlich Arabisch? (fragt er mich)

Arabisch, nicht, aber Algerisch einigermassen. Ich war ein paar Mal im Arabisch-Unterricht, habe es aber leider nie durchgezogen. Mein Vater spricht zwar Algerisch mit mir, aber ich antworte immer auf Deutsch. War das bei dir auch so?

Ja, kenn ich, ist nervig (lacht). Mein Vater spricht so richtig, dieses gebrochene Deutsch. Und ich selbst bin jetzt in dieser Bredouille. Wie soll ich mit meiner Tochter reden? Wenn ich meinen Vater damals auf Deutsch gefragt hab, ob ich was zu trinken haben kann, sagte er immer «quluha bialearabiati!(sag es auf Arabisch!)» Das hatte ne Distanz geschaffen zu meinem Vater, und das will ich nicht mit meiner Tochter. Wenn ich irgendein Problem hatte, ging ich immer zu meiner Mutter, die perfektes Deutsch sprach. Mit meinem Vater konnte ich schon sprechen, aber so Deep Talk ging wegen der Sprachbarriere gar nicht.

Inspiriert dieses Papa-Tochter Verhältnis dich auch für die Musik?

Ja klar, es hat mein Leben verändert. Wenn ich noch ein bisschen Macho war, dann ist das jetzt «Chalas» (fertig auf Arabisch). Es heisst ja, wenn man ne Tochter bekommt, wird man weich, verständnisvoller. Es ist schon erschreckend, dass jede Frau im Laufe ihres Lebens mit sexueller Belästigung zu tun hat und sei das nur ein dummer Spruch. Ich will mich gar nicht rausnehmen, ich weiss nicht, ob ich immer cool war, aber ich glaube, die heutige Generation hat da ein anderes Verständnis dafür.

Das ist ja auch in der Musik so, dass Frauen teils immer noch belächelt werden und unterrepräsentiert sind. Denkst du da tut sich auch was?

Ich habe das Gefühl, gerade im Hip Hop hat sich einiges getan heute gibt es mehr Female-Artists. Aber den vollen Support haben dann doch immer noch die Männer. Ich kenn es von meiner ehmaligen Partnerin bei Ich + ich, Annette Humpe. Ich habe mich am Anfang immer gewundert, warum die so taff ist und dann ist mir klar geworden, die ist halt in den 80er berühmt geworden. Da war das alles noch schlimmer und sie musste sich in dieser reinen Männerwelt voll durchbeissen. Dieses Movement gerade freut mich. Vieles könnte schneller gehen und wir sind noch lange nicht da, aber die Richtung stimmt.

Mit deinem Album «Spiegelbild» gehst du bald auf Tour, wie hältst du dich mental und physisch fit?

Ich hab ja in der Pandemie angefangen, mehr Yoga zu machen, das mache ich als Ausgleich. Gitarre ist auch so ein Ding, da habe ich mir eine App runtergeladen und daddel einfach bisschen rum. Ich werde nie ein guter Gitarrist werden, aber man macht wenigstens was. Das ist auf Tour, so meine Morgen-Routine, einfach was Neues machen, dann bin ich stabil. Ich freue mich auf die Tour.

Danke, dass du dir Zeit genommen hast für unser Gespräch und viel Spass auf deiner Tour!

Mit seinem neuen Album «Spiegelbild» geht Adel Tawil ab Juni in Deutschland auf Tour. Einen kurzen Abstecher macht er bei uns in der Schweiz am 12. August beim Stars In Town.

Infos und Tickets gibt's hier

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