Veröffentlicht am 02. März 2023

Was hatte die CIA mit «Wind of Change» von den Scorpions zu tun?

Am 2. Juni 2023 werden die Scorpions im Hallenstadion in Zürich spielen. Zur Einstimmung schauen wir auf eine verrückte Episode ihrer Bandhistorie und klären die Frage: War die CIA an der Entstehung ihres grössten Hits «Wind Of Change» beteiligt?

Journalist

Musik kann bekanntlich die Welt verändern. Glaubt man zum Beispiel David Hasselhoff, hat sein Hit «Looking For Freedom» die Berliner Mauer zum Einsturz gebracht. Während das bekanntlich eher amüsanter Grössenwahn ist, gibt es zugleich viele Menschen, die in «Wind Of Change» einen Vorboten für das Ende des Kalten Krieges sahen. Die Power-Ballade der Scorpions mit dem ikonischen Pfeifen wurde 1989 von Klaus Meine geschrieben und war von einer Reise nach Moskau zum «Moscow Peace Festival» im Sommer 1989 und den Eindrücken der Wiedervereinigung geprägt. Der Zerfall der Sowjetunion erfolgte dann im Jahr 1991. Die Auflösung des bis dato grössten sozialistischen Staates datiert auf den 26. Dezember 1991 – was auch das End-Datum der Ära des Kalten Krieges war. Mit Blick auf die aktuelle politische Lage und Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine, hat Klaus Meine den Text von «Wind Of Change» übrigens verändert. Im Original heisst es in den ersten Zeilen mit einem romantischen, hoffnungsvollen Blick auf Moskau: «I follow the Moskva down to Gorky Park / Listening to the wind of change». Nun singt Meine: «Now listen to my heart / It says Ukrainia / Waiting for the wind to change».

Der Eindruck des «Moscow Peace Festivals»

Klaus Meine selbst hat in vielen Interviews erzählt, «Wind Of Change» wäre unmittelbar nach dem «Moscow Peace Festival» entstanden – er habe das Lied im September 1989 in Hannover geschrieben. Das «Moscow Peace Festival» ist allerdings auch ein Grund, warum es um die Entstehung von «Wind Of Change» einige hartnäckige Gerüchte gibt. Veranstalter auf amerikanischer Seite war nämlich eine zwielichtige wie geniale Figur: Doc McGhee. Der war einst Manager von Mötley Crüe und Skid Row – zwei der wildesten und drogenaffinsten Bands dieser Epoche. Und er war auch Manager der Scorpions, die im Vergleich eher brav und professionell auftraten. McGhee versuchte damals als Teil eines Schmugglerrings eine riesige Menge an Marihuana von Kolumbien in die USA zu bringen. Dabei wurde er erwischt und erst zu fünf Jahren Knast verurteilt. Dann aber passierte eine erstaunliche Wendung: Das Urteil wurde annulliert und er stattdessen nur zu einer Geldstrafe verurteilt – und zur Auflage, eine Anti-Drogen-Kampagne zu organisieren. Im Zuge diese Engagements organisierte er mit Hilfe des sowjetischen Veranstalters Stas Nanim das wohl grösste Rockfestival, das Moskau bis dato gesehen hat. Die Bands reisten mit einem von McGhee gecharterten Flugzeug an – und hatten die Anti-Drogen-Memo offensichtlich nicht bekommen. Das zeigen unter anderem diese Videos sehr gut:

McGhee ein Spion der CIA?

Der seltsame Deal mit der Justiz, der McGhee angeboten wurde, befeuerte die Theorie, dass das Festival und später auch die Entstehung von «Wind Of Change» sozusagen auf die Soft Skills bzw. der sogenannten PSYOPS des US-Geheimdienstes CIA zurückgehen. So bezeichnet man alle Methoden und Massnahmen zur Beeinflussung des Verhaltens und der Einstellungen von gegnerischen Streitkräften sowie der Zivilbevölkerung. Die Theorie dahinter: McGhee sollte das westliche Lebensgefühl ins Herz von Russland bringen. Und hatte dafür die Scorpions, Mötley Crüe, Bon Jovi, Ozzy Osbourne, Skid Row und noch einige andere wilde Gesellen an Bord.

Der investigative Podcast «Wind Of Change»

Tatsächlich handelt es sich dabei um Geschichten, die nicht nur über die CIA, sondern auch innerhalb von amerikanischen Geheimdienstkreisen kursieren. Diese Tatsache war der erste Funken, der uns den schönen Podcast «Wind Of Change» des Journalisten Patrick Radden Keefe einbrachte. Keefe hatte von einem guten Freund mit Geheimdienstkontakten, der ihm zuvor bereits als verlässliche Quelle diente, die Story gehört, dass die CIA an «Wind Of Change» mitgearbeitet habe. Dass habe dieser bei einem Dinner mit Ex-Geheimdienstler:innen erzählt bekommen. Keefe ist Investigativ-Journalist und schreibt zum Beispiel für renommierte Medien wie den britischen «Guardian» und den «New Yorker». Ihn lässt das Gerücht nicht mehr los. Also geht er der Sache nach.

Der Weg ist das Ziel

Diese Reise beschert uns acht wundervolle Podcastfolgen, die an einem Tisch in einem Hotel Hannover enden, wo Keefe und sein Kollege Klaus Meine mit den Recherchen konfrontieren. Man ahnt es natürlich schon: Wäre an dem Gerücht was dran, würde man das inzwischen wissen. Aber wie so oft heisst es hier: der Weg ist das Ziel. Denn Keefe findet tatsächlich viele Aktivitäten der CIA, die es gar nicht mehr so unwahrscheinlich klingen lassen, dass der Geheimdienst auch in der Rockmusik mitmischt. Vor allem die vierte Folge über das «Moscow Peace Festival» hinterlässt den starken Verdacht, dass diese Show zumindest von den USA massiv unterstützt wurde. Ausserdem erfahren wir, wie intensiv die Geheimdienste zum Beispiel bei der Entstehung von Serien wie «Homeland» mitwirken. Oder wie Hollywood und die CIA zusammenarbeiteten, um 1979 fiktive Dreharbeiten in Teheran zu organisieren, die als Tarnung für die Befreiung von sechs US-Botschafts-Mitarbeiter:innen genutzt wurden. Was Ben Affleck dann wiederum 2012 mit vielen Insider-Informationen der Geheimdienste im Spielfilm «Argo» erzählte.

Das Pfeifen für die Agentin

Und dann gibt es noch die kleinen Anekdoten, die die «Wind Of Change»-Theorie befeuern und die Keefe mit grosser Freude inszeniert. So hat Meine selbst in einem Radiointerview erzählt, dass er eines Tages in Memphis Tennessee kurz nach dem Duschen in einem Hotel durch ein Klopfen an der Tür gestört wurde. Meine erzählt, er habe sich schnell ein Handtuch umgebunden und vor der Tür eine Frau getroffen, die sich als Mitarbeiterin der CIA zu erkennen gab. Sie bat den noch nassen Meine, kurz die Melodie von «Wind Of Change» zu pfeifen. Kannte also die Agentin das Geheimnis? Und signalisierte Meine mit dem Pfeifen nicht auch, warum sie es hören wollte? Natürlich nicht. Szenen wie diese dürften ihm noch immer oft passieren. Aber sie machen sich halt gut in dieser Erzählung.

Ob die CIA auch am 2. Juni im Hallenstadion in Zürich sein wird, wenn die Scorpions dort auftreten werden? Das wissen wir leider nicht. Was wir aber wissen: «Wind Of Change» werden sie todsicher spielen. Und Tickets und Infos gibt’s hier.

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