Veröffentlicht am 30. September 2022

Wie Musik die Tattoo-Kunst beeinflusst

Ob in Hautmalereien selbst oder während den Tattoo-Sessions — Musik ist ein fester Bestandteil der Tätowierkunst. Ende Oktober findet abermals die Lausanne Tattoo Convention in der Romandie statt. Grund genug, uns mit den verwandten Themen auseinanderzusetzen.

Journalist
247

Wer in Sachbüchern stöbert, stösst schnell auf Ötzi. Mit seinem geschätztem Todesdatum zwischen 3370 und 3100 v. Chr. sind seine rund fünftausend Jahre alten Tattoos wohl die ältesten Hautmalereien, die bisher dokumentiert wurden. Laut Albert Zink, Leiter des Instituts für Mumienforschung bei Eurac Research in Bozen, hatten Ötzis Tätowierungen möglicherweise gar einen heilenden Zweck. Das könnte etwa die Behandlung einer Arthrose gewesen sein, indem Ötzi die zu betroffenen Stellen markierte. Auch wenn die Geschichte nicht verrät, ob der gute alte Ötzi Melodien und Tonabfolgen kannte, wird angenommen, dass die Tattoo-Kunst wahrscheinlich genauso uralt ist wie die der Musik. Und genau diesen Zusammenhang nehmen wir unter die Lupe.

Die ersten Tattoos gehen auf verschiedene Stämme aus der ganzen Welt zurück. Populär machten den Körperschmuck aber schliesslich die Seeleute. Denn nach deren Rückkehr aus Polynesien versuchten sie sich an der Tradition des «Tatau»  — bei der die Haut mit bläulicher Tinte gestochen wird. Die Verzierungen enthielten etwa Geschichten ihrer Abenteuer sowie die Lieder, die man auf den Schiffen oder in den Bars der Docks auf der ganzen Welt sang.

Der erste Star der Tattoo-Szene war schliesslich der amerikanische Seemann Sailor Jerry, der um 1930 für Aufmerksamkeit sorgte. Jerry, der eigentlich Norman Keith Collins hiess, war Saxophonist einer Jazz-Band, der aber später vor allem für seine Rock-Klänge gefeiert wurde. Aber nicht nur das – Jerry war einer der Mitbegründer der weltweiten Tattoo-Szene. Er entwickelte nicht nur eigene Farben, sondern auch Nadeln, die ein geringes Verletzungsrisiko zur Folge hatten. 

Von Johnny Hallyday über Lil Wayne bis hin zu Lady Gaga

Was in der Popkultur beliebt ist, wächst schnell und gewinnt an Fahrt. Dank Sailor Jerry wurden Tattoos immer beliebter. Zahlreiche Musiker:innen und Sänger:innen trugen über die Jahre schliesslich dazu bei, Tattoos ein «cooles» Image zu verleihen. Heute ist die Tattoo-Kunst aus der Popkultur nicht mehr wegzudenken. Denken wir etwa an den Adler von Johnny Hallyday, das Einhorn von Lady Gaga oder an Lil Wayne, der von Kopf bis Fuss mit Tattoos eingedeckt ist.

Johnny, Lil Wayne und Lady Gaga  - DR
Johnny, Lil Wayne und Lady Gaga - DR

Dass Musik ein einen endlosen Nährboden für Tätowierungen bietet, ist unbestritten. Ob Lieblingskünstler:innen, Lieblingsbands oder auch Songtexte – viele MusikFans nehmen in ihren Tattoos Bezug auf  ihre Lieblings-Bands oder gar ganze Songtexte.

Musik als Inspirationsquelle für Tätowierer und ihre Kunden  - DR
Musik als Inspirationsquelle für Tätowierer und ihre Kunden - DR

Bei all dem können wir uns heute kaum noch eine Tattoo-Convention ohne Musik und Konzerte vortellen. Nehmen wir als Beispiel die LozT2 (Lausanne Tattoo Convention), die vom 28. bis 30. Oktober im Palais de Beaulieu in Lausanne stattfindet. Auch wenn die eigentlichen Stars die Tattoo-Künstler sind, so kündigten sich ebenso sechs Bands an – Floyd Beaumont and the Arkadelphians, die Big Band der EPFL oder Trixie and the Trainwrecks.

Auch auf Seiten der Tätowierer spielt die Musik eine massgebende Rolle. Ob in Tattoo-Studios oder an Conventions – viele Künstler stechen gerne, während aus den Boxen Sound zu hören ist. Für den Schweizer Tätowierer David Mottier, der auf der Convention in Lausanne mit von der Partie sein wird, ist alles eine Frage der Konzentration: «Normalerweise höre ich mir ruhige Sachen an, um zu tätowieren. Es hilft mir, mich zu erden und mich zu konzentrieren», erzählt der Künstler, der für das RAINBOW in Gruyère arbeitet.

Amy Mymouse arbeitet als Künstlerin im Maison Louche Tattoo in Montreux. Für die Tätowiererin gehört Musik genauso dazu wie die Tinte, die sie gebraucht: «Ich beginne meinen Tag oft mit sehr ruhiger Musik. Meistens lege ich Ramin Djawadi auf, der Komponist von Filmmusik und Serien wie Game of Thrones oder Westworld. Seine Musik ist sehr melancholisch mit etwas orientalischen Noten. So können sowohl ich als auch die Kunden entspannt in die Session starten.»

Amy arbeitet an grossen Kunstwerken, die oftmals auch bis zu zehn Stunden dauern können. Logisch, kann sich die musikalische Stimmung in dieser Zeit auch mal ändern. Sie erklärt: «Oft wechseln wir gegen 16 Uhr zu Musik, die etwas mehr Stimmung macht und uns gegenseitig motiviert, die Sitzung durchzuhalten. Im Moment lege ich oft Pop oder Rock aus den 80er Jahren auf, wie z. B. Mucke von Bonnie Tyler. Doch meist gegen Ende der Session wechseln wir zu ruhigeren Liedern von LHASA oder wir unternehmen eine musikalische Reise ins Paris der 20er und 30er Jahre.»

Für Jo des Studios Le Parloir Tattoo in Lausanne ist es eine Frage der Stimmung und der Verbindung zwischen dem, was er hört, und dem, was er zeichnet oder tätowiert. «Heute Morgen bin ich aufgewacht und hatte Lust, Blak Sabbath zu hören. Deshalb weiss ich, dass meine Zeichnung mehr Black & White und ein bisschen mutiger sein wird!»

Christophe wird bei der Lausanner Convention nicht dabei sein, obwohl er in der Stadt am Genfersee aufgewachsen ist. Der Schweizer hat sein Studio in Brüssel führt, erklärt uns: «Wenn der Kunde kommt, beginne ich immer mit einem Drink und einem Gespräch. Meistens wähle ich die Musik aus. Denn ich muss ein Album von einem Künstler auflegen, der mir gefällt. Ich spiele oft Musik der Gruppe OM oder Sigur Rós. Das wirkt sehr beruhigend und hat eine hypnotische Wirkung.»

Chris weiter: «Ich denke, die Musik ist für den Kunden genauso wichtig wie für den Tätowierer, und man sollte bestimmte Genres meiden. Ich erinnere mich, dass ich mir den Unterbauch mit lauter Hardcore-Punk-Musik tätowieren liess. Das war eine schmerzhafte Erfahrung!»

Ich, der ich diesen Artikel geschrieben habe, habe mich vor kurzem von ihm tätowieren lassen. Deshalb empfehle ich dir, lieber Leser:in einen Künstler:in, der einen auf eine Reise mitnimmt. Ich liess mir einen Blitz bestehend aus einer psychedelischen Katze stechen. Und zwar gerade neben dem tätowierten Autogramm von Robert Plant. Das Album das während meiner Prozedur lief: «Physical Graffiti». Passt also wie Deckel auf Top.

Lust auf ein Tattoo-Wochenende? Die Tickets zur Lausanne Tattoo Convention, die vom 28. bis 30. Oktober im Palais de Beaulieu in Lausanne stattfindet, sind erhältlich auf der Website von Ticketcorner.

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