Veröffentlicht am 27. Januar 2023

25 Jahre Abart - Dancing With Tears in My Eyes

15 Jahre lang war das Abart an der Manessestrasse Treffpunkt und Zuhause der Schweizer Rockszene. Muse und die Foals standen in dem Club auf der Bühne, bevor sie die grossen Hallen füllten. Zum Jubiläum blicken wir zurück und vergiessen, gemeinsam mit Co-Gründer Oli Zemp, ein paar Tränen.

Journalist

Januar 1998: James Cameron hat mit «Titanic» gerade den dicksten Kino-Hit aller Zeiten lanciert, Celine Dions «My Heart Will Go On» erreicht in Sachen Radio-Penetranz den Höhepunkt und eine junge Monica Lewinsky versichert der Welt, dass sie keine Ahnung von Bill Clintons Penis hat.

Bewegte Zeiten also, in denen der Club im Zürcher Stadtkreis 3 das erste Mal seine Türen öffnet. Die Soundline hinter diesen Türen? Meistens Stromgitarren, eher heavy und Ende der 90er damit komplett am Trend vorbei. Grunge ist mit Kurt Cobain gestorben, die Britpop-Welle abgeflacht und wer etwas auf sich hält, tanzt in ehemaligen Fabrikhallen zu minimalistischem Techno. Genau dieses Überangebot an elektronischer Musik motivierte Oli Zemp und Christian Gremelmayr damals dazu, ihr Privatvermögen zu riskieren und ihr Glück mit einem Club zu versuchen. Es war ein steiniger Weg, wie uns Mitgründer und Resident DJ Zemp erzählt.

Oliver Zemp in seiner Brauerei.
Oliver Zemp in seiner Brauerei.

Abart Mitgründer Oli Zemp geht es heute gerne ruhiger (und kulinarischer) an. Er unterhält mit dem Korner einen der besten Burgerläden der Limmatstadt und ist an der Hafenkneipe und an der El Dorado Bar beteiligt. Das Bier für die Läden braut er als Mitinhaber vom Brausyndikat gleich selber an.

Oli, vor zehn Jahren schloss das Abart und eine Dekade später hat das Land noch immer keinen dezidierten Rockclub. Eure Party war aber nach wenigen Tagen ausverkauft. Ist das einfach nur Nostalgie oder glaubst du, es gibt immer noch ein Bedürfnis nach einem Rock Club?

Oli Zemp: Das hat wahrscheinlich mehrere Gründe. Einerseits ist Gitarrenmusik derzeit wenig trendy und gleichzeitig hat sich das Ausgehverhalten geändert. Sehr viele Leute hören heute sehr unterschiedliche Musik und durch das hat sich der typische Genre-Club auch etwas verwässert - abgesehen von der elektronischen Musik. Aber selbst dort wird ja heute nicht mehr zwischen Techno oder House unterschieden. Alle spielen alles.

Du denkst, es entspricht nicht mehr dem Zeitgeist?

OZ: Möglicherweise, ja. Ausserdem ist Gitarrenmusik ja nicht aus dem Nachleben verschwunden. Die Indie-Partys im Exil und im Kir Royal ziehen ja immer noch ordentlich Leute.

hot
Gefällt mir

Abart Allgemeines I

Entgegen der generellen Auffassung war das Abart zu keinem Zeit ein reiner Gitarrenclub. Zu Beginn wurde Funk und Jazz gespielt, an der Indiependance lief Electro und die Einsteins-Party droppte öfters mal Hip-Hop und Pop.

Das Publikum existiert also noch und offenbar lebt auch die Abart-Gemeinde irgendwie weiter. Bekommst du da manchmal Lust es nochmals zu probieren?

OZ: Nein, ich habe damit abgeschlossen. Dass die Party so rasch ausverkauft war, ist natürlich cool und ich freue mich auf eine tolle Feier am Wochenende, aber es ist nicht mehr meine Welt. ON/OFF-Anlässe sind etwas Besonderes, aber für mich reicht das dann auch, ich bin raus aus dem Alter.

Kann man im Nachtleben in Würde altern oder gehört die Szene und der damit verbundene Hedonismus der Jugend?

OZ: Das muss jeder selbst für sich entscheiden. Ich selber habe relativ früh erkannt, dass ich keiner dieser ewiggestrigen DJs werden will, die am Publikum vorbei spielen. Irgendwann habe ich mich schlicht nicht mehr wohl gefühlt in dieser Masse an jung bleibenden Gästen, während ich immer älter wurde. Ich fand es schön einen Abschluss für mich zu finden.

Dass es den Club überhaupt so lange gab, war ja auch nicht selbstverständlich, oder?

OZ: Gar nicht. So ziemlich jeder in unserem Umfeld hat uns von einem Club abgeraten und es war natürlich finanziell ein grosses Risiko. Wir waren aber stur und haben es durchgezogen.

«I see a grey club and i want to paint it black.» - Das Abart vor dem Umbau.
«I see a grey club and i want to paint it black.» - Das Abart vor dem Umbau.

Wann dachtet ihr zum ersten Mal, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war?

OZ: Sehr schnell. Faktisch hatten wir keine finanzielle Unterstützung und waren bereits in den Schulden, bevor der Laden überhaupt offen war. Dazu lief das erste halbe Jahr überhaupt nicht und die Gläubiger wurden langsam ungeduldig. Ich dachte mehr als einmal «Scheisse, ich bin 23 und kann bald Privatkonkurs anmelden.» Das war eine Horrorzeit. Rückblickend muss ich aber auch sagen, dass sie rasch vorbei war. Wir hatten 14½ gute Jahre danach und das war den Stress mehr als wert.

hot
Gefällt mir

Abart Allgemeines II

Am 3. Dezember 1998 spielten die Roten Rosen im Abart. Die Toten Hosen nutzen das Pseudonym für Konzeptalben und kleinere Clubshows. Die Show hat das Abart damals endgültig auf Landkarte gebracht.

Der Wind drehte irgendwann ja auch musikalisch. MGMT, The Strokes und Franz Ferdinand waren in den Charts, bei H&M gab’s Shirts mit Metal-Symbolik und Rock war in. Hat sich damals auch euer Klientel verändert?

OZ: Das hat sich eigentlich laufend verändert. Wir hatten ja nicht nur verschiedene Musik-Phasen, sondern auch jedes Wochenende neue, junge Leute, die unsere Partys besucht haben. Wenn die Songs dann aber zu populär wurden, haben wir sie bei uns aber auch wieder aus der Rotation genommen. «Ruby» von den Kaiser Chiefs, zum Beispiel. Den Song konnte ich irgendwann nicht mehr hören.

«Ruby, Ruby, Ruby, Ruby!», jetzt haben wir das Ding den ganzen Tag im Ohr. DANKE, OLI!

Habt ihr euch ein bisschen als Tastemaker gesehen?

OZ: Das nicht, aber wir haben versucht, für einen sicheren Wert zu stehen. Damit konnten wir Gäste auch in den Club bewegen, wenn die Künstler:innen noch keinen Mainact-Grösse hatte. So konnten wir auch Bands wie The Rakes auf die Bühne stellen, von denen hierzulande noch niemand wirklich was gehört hatte. Es war ja noch die Zeit vor dem Internet.

Hey, wir hatten MySpace.

OZ: (lacht) Stimmt.

Oli Zemps Top 10 der Abart-Shows

  1. S.O.D. (1999)
  2. Supergrass (1999)
  3. Queens Of The STone Age (2000)
  4. Therapy? (2001)
  5. The Mars Volta (2003)
  6. Franz Ferdinand (2004)
  7. !!! Chk Chk Chk (2004)
  8. The Kills (2005)
  9. Gossip (2007)
  10. Foals (2010)
  11. Metronomy (2011)

(Anm. d. Red., das sind mehr als zehn. Offenbar ist Zemp immer noch ein Punk.)

War euer Stammpublikum ähnlich offen für Neues?

OZ: Je nach Szenezugehörigkeit. Es war aber auch intern oft eine Gratwanderung. Chrigel (Christian Gremelmayr, Anm. d. Red.) war kommerziell offener, ich habe etwas mehr auf unser Image geschaut. Wir hatten oft heftige Diskussionen, aber das gehört ein Stück weit dazu.

Danke für deine Zeit. Wir sehen uns an der Bar.

Abart 25 The Reunion fand am 28. Januar im Dynamo statt.

Der Autor dieses Beitrags, durfte dem Abart bereits vor zehn Jahren ein Testimonial schreiben. Die Zeilen erschienen im Dezember 2012 im RCKSTR Magazine und sind heute nicht weniger trauriger wie damals.

Gefällt dir der Artikel?